Es geht an der Oberfläche um sechsstellige Schweigegeldsummen, die Trump 2016 nach einer länger zurückliegenden Affäre an die Porno-Darstellerin Stormy Daniels und das Playboy-Model Karen McDougal gezahlt haben soll. Dabei wurden laut Anklageschrift, die Richter Juan Merchan verlas, geschäftliche Unterlagen im Trump-Konzern gefälscht und Gesetze zur Wahlkampffinanzierung missachtet.
Bis zu 136 Jahre Haft
Jeder einzelne Fehltritt könnte in einem Prozess, der frühestens in einem Jahr stattfinden würde, mit einer Haftstrafe von vier Jahren belegt werden. Insgesamt drohen Trump somit theoretisch bis zu 136 Jahre Haft.
Nach erstem Lesen der wider Erwarten nicht mit vielen Einzelheiten gespickten Anklage wird Trump im Grundsatz vorgeworfen, dass er die Präsidentschaftswahl 2016 beeinflussen wollte, in dem er potenziell schädigende Informationen (gemeint sind die außerehelichen Affären mit Daniels und McDougal) vor der Wählerschaft geheim hielt.
Trump, der dabei ein „Schema orchestrierte”, habe „negative Informationen über sich gekauft, ihre Publizierung unterdrückt” und dadurch seine Wahlchancen vergrößern wollen. Dazu seien Geschäftsbücher des Trump-Konzerns gefälscht worden. Chef-Ermittler Alvin Bragg erklärte: „Wir können nicht zulassen, dass New Yorker Unternehmen ihre Aufzeichnungen manipulieren, um kriminelles Verhalten zu vertuschen.”
Trumps Anwälte um den Juristen Joe Tacopina sprachen von einem „traurigen Tag” für dieses Land. Die Anklage sei „absolut enttäuschend”, weil sie sieben Jahre nach den vorgehaltenen Ereignissen „wenige Fakten” enthalte. Die Juristen wollen beantragen, die Klage zu verwerfen. Trump plädierte nach dem formalen Schritt der Anklageerhebung, der mit rund 45 Minuten entschieden länger als gewöhnlich dauerte, auf „nicht schuldig”.
Sonderbehandlung für Trump
Anders als vorher spekuliert wurde, kam Trump vonseiten der Justiz – bis auf die formale Festnahme, die Abnahme von Fingerabdrücken und die Zuweisung eines Aktenzeichens – eine Sonderbehandlung zu. Er musste die kurze Wartezeit bis zur Anklageverlesung laut US-Medien nicht in einer Zelle verbringen. Auch die üblichen Handschellen und das Polizeifoto für eine etwaige Fahndung blieben ihm erspart.
Letzteres folgt der Einschätzung, dass Trumps Gesicht, das bei Betreten des Gerichtssaals versteinert bis grimmig wirkte, weltweiten Bekanntheitsgrad besitzt. Außerdem wollte man verhindern, dass mit dem „Mugshot“, der mangels Technik in einem anderen Gebäude hätte aufgenommen werden müssen, weitere Wahlkampfspenden eingetrieben werden, hieß es inoffiziell in Justizkreisen.
Vor dem Termin hatte Richter Juan Merchan den medialen Flaschenhals zwischen Verhandlungssaal und Außenwelt verengt. Weder waren Fernsehkameras bei der Anklage-Verlesung zugelassen, noch durften Journalisten mit Smartphone und Laptop in Echtzeit die Einzelheiten der bis zuletzt versiegelt gebliebenen Anklage veröffentlichen. Nur fünf Fotografen bekamen am Anfang die Chance, den prominenten Beschuldigten für die Nachwelt festzuhalten.
Konfrontation im Park
Rund um das mit Straßensperrungen und massiver Polizeipräsenz abgeschirmte Gerichtsgebäude aus Kalksandstein standen Hunderte Schaulustige und Reporter aus der ganzen Welt 24 Stunden vor Einlass Schlange. Über dem Schauplatz kreisten mehrere Polizei-Hubschrauber. Im nahe gelegenen „Collect Pond Park“ lieferten sich, von Metall-Barrikaden getrennt, Fans und Gegner des Ex-Präsidenten unter Zuhilfenahme von Kuh-Glocken und Trillerpfeifen heftige Wortgefechte. Ausschreitungen blieben laut Polizei aus.
Marjorie Taylor-Greene, republikanische Abgeordnete aus Georgia und treue Trump-Anhängerin, wurde bei einer kurzen Ansprache von Gegnern des Ex-Präsidenten bedrängt und niedergeschrien. „Sperrt ihn ein!“, riefen die Demonstranten in Abwandlung des von Trump einst gegenüber Hillary Clinton gemünzten Spruchs „Lock her up!“.
Das öffentliche Meinungsbild über den Fall und Trumps Stellenwert ist komplex. In der Gunst der republikanischen Wählerschaft ist der Angeklagte gestiegen: 48 Prozent wünschen sich den 76-Jährigen, der in weniger als einer Woche nach Bekanntgabe der Anklage sieben Millionen Dollar an Spenden eingenommen hat, als Präsidentschaftskandidat für 2024. Dagegen finden 60 Prozent der Amerikaner über alle Parteigrenzen hinweg die Anklage gegen Trump angemessen und richtig.
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