Wie Erdoğan Teuerungen bekämpfen will - und dabei Wahlkampf macht
„Wir werden die Kontrollen verschärfen müssen. Denn alleinige Geldstrafen helfen bei denen anscheinend nicht.“ Mit diesen Worten kündigte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan neue Verschärfungen gegen die Teuerungen an. Gerichtet sind diese vor allem gegen die stetig steigenden Lebensmittelpreise. Die Türkei verzeichnet seit Monaten eine Rekordinflation. Offiziell beträgt sie derzeit um die 85 Prozent. Regierungsunabhängige Quellen schätzen sie sogar auf 150 Prozent. Niederschlag findet das in beinahe jedem Lebensbereich. Vor allem aber ist die hohe Inflation auf dem Basar oder in Supermarktregalen zu beobachten.
Mit „denen“ meint Erdoğan vorrangig Supermarktketten. Diese würden aus Profitgier Preistreiberei betreiben, so der Vorwurf des Präsidenten. Um dem einen Riegel vorzuschieben und die Bevölkerung ein wenig aufatmen zu lassen, soll nun eine härtere Gangart eingeschlagen werden.
Preistreiber am Pranger
Bei Supermarktketten wurden bereits in der Vergangenheit unangekündigte Preiskontrollen vom Finanzministerium durchgeführt. Dabei wurden der Ankaufspreis von Produkten mit dem Verkaufspreis verglichen. War dabei die Diskrepanz zu hoch, wurden saftige Geldstrafen verhängt.
Zuletzt traf es 21 Handelsbetriebe. Insgesamt kam dabei eine Strafsumme von fast neuneinhalb Millionen Lira zusammen (knapp 500.000 Euro). Nun sollen – das Dekret dazu wird derzeit noch vorbereitet – noch weitere Schritte gesetzt werden. So sollen zum einen die Geldstrafen erhöht werden, und zum anderen droht „Schwarzen Schafen“ im Ernstfall auch die Schließung.
Wie sinnvoll diese Maßnahmen tatsächlich sind, ist unter Experten umstritten. Auch angesichts dessen, dass die hohe Inflation, neben Außenfaktoren in der Türkei größtenteils auf Erdoğans „unkonventionelle“ Leitzinspolitik zurückzuführen ist, wie Fachleute meinen. Der Staatschef ist ein Verfechter davon, diese entgegen international erprobter Praxis auch bei hoher Inflation weiter zu senken. Das soll das Wirtschaftswachstum fördern, es führt aber eben auch dazu, dass es zu weiteren Teuerungen kommt.
Kritik zu den Verschärfungen gab es etwa auch von Galip Aykaç. Dieser ist im Vorstand von BIM, einer der führenden Supermarktketten, sowie Vorsitzender des Lebensmittelverbands: „Die maximale Gewinnspanne von Supermärkten liegt derzeit bei vier Prozent. Und selbst wenn wir Tomaten vom Feld für null Lira kauften, läge der Preis dafür, dass sie überhaupt in die Supermärkte kommen schon bei circa siebeneinhalb Lira (knapp 40 Cent)“, betonte er vor Pressevertretern.
Auch das Narrativ der bösen Supermärkte, deren Preise sogar medienwirksam von Finanzminister Mehmet Muş höchstpersönlich kontrolliert werden, sorgt in der breiten Bevölkerung eher für Kopfschütteln. Der Tenor: Die Regierung solle lieber die Inflation bekämpfen statt Supermärkten die Schuld für die teueren Preise zu geben.
Umsatzsteuer-Senkung
Um den Preisexplosionen einen Riegel vorzuschieben, hatte die türkische Regierung bereits im Frühjahr die Mehrwertsteuer von 18 auf 8 Prozent gesenkt. Auch bei den Spritpreisen gab es immer wieder Steuersenkungen, wodurch diese in den vergangenen Monaten einigermaßen konstant geblieben sind.
All das scheint – auch – den Urnengängen geschuldet zu sein: Im kommenden Jahr finden in der Türkei Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt.
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