Inwiefern sind christliche Frauen doppelter Repression ausgesetzt?
Christen werden von Islamisten verfolgt, ihnen wird Blasphemie vorgeworfen. Christliche Mädchen und Frauen erleben doppelte Unterdrückung, sie gelten als minderwertig, werden entführt, vergewaltigt, zu Konversion gezwungen und zwangsverheiratet. Wir bieten allen Frauen kostenlosen Rechtsbeistand, der für viele ärmere Familien unmöglich zu finanzieren ist. Aber als einzige christliche Organisation in Pakistan sind wir vor allem für christliche Frauen wichtig. 2020 haben wir 87 Fälle vor Gericht gebracht, 2021 waren es 97, 2022 schon 120, und im Vorjahr 176.
Ist die Justiz überhaupt unabhängig und hilfreich bei der Strafverfolgung?
Es ist nicht leicht. Oft scheitert es schon bei der Anzeige: Weibliche, christliche Opfer werden meist abgewiesen. Auch die Gerichte sind häufig voreingenommen. In den meisten Fällen von Zwangskonversion und Zwangsheirat weisen die Richter die Mädchen an, mit ihrem Ehemann wieder nach Hause zu gehen. Viele Mädchen haben Angst, zu ihren Eltern zurückzukehren, weil die Entführer ihren Wohnort kennen.
Wie geht es mit den Mädchen weiter, die bei Ihnen unterkommen?
Ein Beispiel: Im Oktober 2020 wurde Rina, 17 Jahre alt, zuhause von drei Männern entführt – einer davon ein muslimischer Nachbar. Fünf Tage lang wurde das Mädchen festgehalten und vergewaltigt. Die Entführer zwangen sie, zum Islam zu konvertieren. Sie wehrte sich, wurde von den Männern verprügelt, die ihr mehrere Knochen brachen und sie danach bewusstlos am Straßenrand liegen ließen. Das Mädchen kam ins Krankenhaus, ihre Familie erstattete Anzeige, wurde aber bald von den Männern bedroht. Dann wandte sie sich an uns, und wir konnten gemeinsam juristisch gegen die Männer vorgehen. Zwei Jahre lang blieb Rina bei uns, machte sogar eine Ausbildung zur Kosmetikerin. Ihre Eltern haben später eine Heirat arrangiert, und heute geht es ihr gut.
Mehrere Dutzend Mädchen pro Jahr finden bei uns Schutz, die meisten zwischen 12 und 15 Jahre alt. Nicht alle Fälle enden so wie Rinas. Aber das sind die, die mir Kraft geben, meine Arbeit fortzuführen.
Eine arrangierte Ehe – geht es nicht ohne?
Kaum. Eine unverheiratete Frau hätte es sehr schwer in Pakistan.
Im Februar fanden Wahlen in Pakistan statt. Wird sich unter dem neuen, alten Premier Shehbaz Sharif etwas für religiöse Minderheiten ändern ?
Ich glaube kaum, auch wenn täglich dafür bete. Unter der Muslimliga PML-N, die jetzt wieder an der Macht ist, sind die Angriffe auf christliche Gemeinschaften gestiegen – erinnern Sie sich nur an den wütenden Mob radikaler Muslime im vergangenen August, der eine christliche Gemeinde zerstört hat.
Wie gefährlich ist Ihre Arbeit für Sie persönlich?
Ich bin nicht allein, ich habe ein gutes Team von Anwälten, die sich um die Strafverfolgung von Frauenentführungen und Zwangskonversionen kümmern. Ich bin privilegiert und international bekannt, und trotzdem erhalten wir regelmäßig Drohungen. Es kommen Männer zu uns ins Büro, um uns einzuschüchtern. Aber ich sehe es als meine Verantwortung, für die Frauen in Pakistan zu kämpfen.
In Österreich demonstrieren Frauen heute etwa für gleichen Lohn – wie findet der Weltfrauentag in Pakistan statt?
Auch dort wird protestiert. Tausende Mädchen und Frauen gehen auf die Straße, trotz Einschüchterungen der Polizei und islamischer Organisationen. Es kommt zu Verhaftungen. Auch ich wurde zweimal verhaftet, weil ich bei einem Frauenlauf mitgemacht habe. Aber die Frauen haben keine Angst. Wir träumen von einer Zeit, in der Frauen frei sind und alle Rechte haben wie Männer.
Halten Sie den Weltfrauentag für sinnvoll?
Meiner Meinung nach schärft jeder Frauentag das Bewusstsein in der Gesellschaft auf der ganzen Welt. Ich habe das Gefühl, dass meine Worte dazu beitragen können. Das bestärkt auch christliche Frauen und Mädchen in Pakistan. Ich glaube an die kollektive Stärke.
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