Erstes Land weltweit will Abtreibung in die Verfassung aufnehmen
aus Paris Simone Weiler
Französische Feministinnen erwarten sich viel vom kommenden Montag.
Dann wird aller Voraussicht nach der Kongress in Versailles, also die beiden Parlamentskammern gemeinsam, die „garantierte Freiheit einer Frau, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen“, in die Verfassung Frankreichs aufnehmen.
Es würde damit das erste Land der Welt, das diesem Frauenrecht den höchsten Schutz zugesteht. Die dafür notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit scheint erreichbar.
„Niemals wieder Engelmacherinnen, Kleiderbügel, Nadeln – sagen wir unseren Töchtern, Nichten, Enkelinnen: heute und von jetzt an seid ihr frei, über eure Leben zu entscheiden“, sagte die grüne Senatorin Mélanie Vogel, eine der Vorkämpferinnen für die Verfassungsänderung. Es handelt sich um einen Triumph für die Grünen und die Linken, deren Fraktionschefin Mathilde Panot den Vorschlag 2022 eingebracht hatte.
Es war damals eine Reaktion auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in den USA, der wenige Monate zuvor das bundesweit geltende Recht auf Abtreibungen aufgehoben hatte.
Das Ringen um das Recht auf Abtreibung ist auch ein Duell Macron gegen Le Pen
Jubeln kann nun auch das Lager von Präsident Emmanuel Macron, das sich ebenfalls für eine Verfassungsänderung aussprach; wohl auch um Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement National in Bedrängnis zu bringen. Diese forderte 2012 in ihrem Wahlkampfprogramm noch, die Kosten für die sogenannten „Komfort-Abtreibungen“ nicht mehr durch die Sozialversicherung zu erstatten.
Nun reagierte Le Pen zwar mit einem nonchalanten „Warum nicht?“ auf die Frage, ob sie für den Vorstoß stimmen werde. Sie sagte aber auch, dass „all die Aufregung“ nicht gerechtfertigt sei.
Demgegenüber schrieb die Frauenrechtlerin Rachel-Flore Pardo in einem Meinungsbeitrag für Le Monde, es gebe „Symbole, die zählen und die morgen als Deiche dienen können: Darauf zu warten, dass das Recht auf Abtreibung effektiv bedroht ist, würde bedeuten zu warten, bis es zu spät ist, um sie in die Verfassung aufzunehmen.“
Jede 9. Minute stirbt eine Frau an den Folgen einer heimlichen Abtreibung
Die sozialistische Senatorin Laurence Rossignol sagte, es gehe darum, „ein Zeichen an die Frauen der ganzen Welt zu schicken: Ihr seid nicht allein“. Weltweit sterbe jede neunte Minute eine Frau an den Folgen einer heimlichen Abtreibung. Der Zugang dazu werde in vielen von Rechtsnationalisten regierten Ländern erschwert.
Die Zustimmung durch den konservativ dominierten Senat war lange ungewiss. Doch die Senatsmitglieder gaben letztlich dem Druck der öffentlichen Meinung nach. Einer aktuellen Umfrage zufolge sprachen sich 81 Prozent der Menschen in Frankreich für den verfassungsrechtlichen Schutz der Freiheit, Abtreibungen vornehmen zu lassen, aus.
Diese wird längst als bedeutende gesellschaftliche Errungenschaft angesehen, seit es die damalige Gesundheitsministerin Simone Veil 1975 gegen heftigen Widerstand erkämpft hat. Vier Jahre zuvor hatten 343 Frauen auf Initiative der Philosophin Simone de Beauvoir hin im „Manifest der 343“ öffentlich zugegeben, selbst einen damals noch illegalen Schwangerschaftsabbruch hinter sich zu haben.
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