Zu Gast bei Guy Savoy: Sind Frankreichs Köche noch Weltspitze?

Die Köche im Restaurant Guy Savoy in Paris haben viel zu tun.
aus Paris Simone Weiler
Es erscheint wie ein undankbarer Job, an einem kalten Dezember-Tag vor dem Gebäude der französischen Münzprägeanstalt Monnaie de Paris zu stehen. Doch der junge Mann versucht, das Positive zu sehen. „Ich wärme mich an der Aussicht“, sagt er schmunzelnd. Seine Uniform mit dem goldenen Schriftzug zeichnet den Herrn als Mitarbeiter des Sternekochs Guy Savoy aus. Er weist Gäste in das Gebäude, in dem die Anstalt nur noch einen Teil der Räumlichkeiten beansprucht. In einem anderen kocht Savoy.
Über eine Wendeltreppe aus Stein geht es hinauf zum Eingang, wo sich zwischen hohen Säulen eine Schwingtür öffnet. Dahinter erscheint für einen Moment der Chef des Hauses, gekleidet in seine makellos weiße Kochuniform. „Herzlich willkommen“, ruft der 70-Jährige, die Arme ausgebreitet. Schnell verschwindet er wieder, muss zurück an seinen Herd. Später wird er eine Runde drehen, um jeden Gast einzeln zu fragen, ob es schmeckt.
Der Preis für ein Menü liegt hier bei mehreren hundert Euro pro Person. Zum Gesamterlebnis gehört der Service der aufmerksamen Kellner, die mit den Gästen plaudern. „Wahrer Luxus ist, wenn Sie das Gefühl haben, dass man sich ganz persönlich um Sie kümmert“, sagt Hubert, der genau dafür zuständig ist. War exzellentes Essen in Frankreich früher ein Selbstläufer, so müssen heute Köche ihre Gäste umgarnen. „Man entdeckt heute ein Restaurant wie ein Theaterstück, das ist ein soziales Erlebnis“, sagt Savoy selbst.
Streit mit Michelin
Der Sohn eines Gärtners und einer Gastwirtin gehört zu den Starköchen Frankreichs. Zum sechsten Mal in Folge erlangte sein „Restaurant Guy Savoy“ in diesem Herbst den Spitzenplatz beim Gastronomie-Ranking La Liste, das weltweit 1.000 herausragende Adressen führt. Doch wenige Monate zuvor verlor er überraschend einen von drei Michelin-Sternen. Ein Erdbeben, schrieb die Fachpresse. Und eine Enttäuschung für ihn selbst, wie Savoy zugibt. „Zurückgestuft zu werden macht natürlich nie Freude, aber für meinen Betrieb hatte es keine Auswirkungen.“ Nicht nur er habe seine Arbeit zu hinterfragen, sondern vor allem auch der Guide Michelin, fügt Savoy spitz hinzu.
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Der französische Chefkoch Guy Savoy in seiner Küche.
Gegründet wurde der Gastronomie- und Hotelführer im Jahr 1900 von den Brüdern André und Édouard Michelin. 1933 wurde die bis heute gültige Klassifizierung eingeführt: Ein Stern zeichnet demnach „ein sehr gutes Haus“ aus, bei zwei Sternen „lohnt sich der Umweg“ für ein Gasthaus, bei drei Sternen ist es gar „eine Reise wert“. Die Tester kommen inkognito und mit in die Benotung geht nicht nur das Geschmackserlebnis ein, sondern es zählen auch der Service und der Komfort. Doch seit Jahren rufen manche Entscheidungen Unverständnis hervor. 2019 scheiterte der Starkoch Marc Veyrat mit einer Klage gegen den Guide Michelin nach der Herabstufung auf zwei Sterne.
Hinter Italien und China
Manche Rankings stellen überhaupt in Zweifel, ob Frankreich in Sachen Haute Cuisine wirklich noch Nummer eins ist. Auf den Spitzenplätzen einer weltweiten Forbes-Rangliste befanden sich in den vergangenen Jahren Restaurants in Peru, Dänemark und Spanien. 2023 verblieben unter den Top 50 nur fünf französische Gasthäuser.
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Speisen im „Restaurant Guy Savoy“.
Für einen Aufschrei in Frankreichs Medien sorgte auch, als es bei einer Bewertung der zehn besten Küchen der Welt von CNN Travel „nur“ auf Platz drei hinter Italien und China landete. Bei einem Ranking des Gastronomie-Reiseführers TasteAtlas in diesem Jahr landete es auf Platz acht – eine Schmach.
"Gastronomie hat nur Frankreich"
Ganz neu sind die Abgesänge auf die französische Küche allerdings nicht. Bereits 2006 führte das Wall Street Journal eine Untersuchung in 20 Ländern durch mit dem Ergebnis, dass ihr „die Welt den Rücken kehrt“. Lässt sich ein objektives Urteil über die Kochkunst eines Landes überhaupt treffen? „Alle Länder haben eine hochwertige Küche, aber eine Gastronomie hat nur Frankreich“, sagt Guy Savoy. Diese ergebe sich aus dem historisch gewachsenen Können, hochwertige Produkte zu verwerten.
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Seit jeher nutzt Frankreich dieses Können auch politisch. 2014 speiste der damalige US-Präsident Barack Obama bei einem Besuch in Paris in Savoys zweitem Restaurant „La Chiberta“. 2018 begleitete der Chefkoch Präsident Emmanuel Macron in die USA zum Staatsbesuch bei Donald Trump. „Es ist normal, dass ein Land bei diplomatischen Begegnungen seine Trümpfe zieht“, resümiert Savoy. Und lässt nicht den leisesten Hauch eines Zweifels darüber aufkommen, worin Frankreichs Trumpf besteht.
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