Dort wies Milley seine Generäle an, keinem militärischen Befehl des Präsidenten nachzukommen, ohne ihn vorher zu informieren und seine Zustimmung einzuholen. Milley, schreiben Woodward und Costa, sei durch den Raum gegangen, habe jedem Kommandeur tief in die Augen geschaut und gefragt: "Kapiert?"”. Das einstimmige "Ja" als Antwort habe Milley als "Schwur" betrachtet.
Rubio ortet Verrat
Milleys Furcht vor einem Alleingang Trumps mit schweren Konsequenzen, den CIA-Direktorin Gina Haspel geteilt habe, rührte auch daher, dass der General zu Beginn des Jahres zufällig davon erfahren hatte, dass Trump am Verteidigungsministerium und dem Nationalen Sicherheitsrat vorbei den US-Truppenabzug aus Afghanistan bereits für den 15. Jänner angeordnet hatte – also noch vor Joe Bidens Amtsantritt.
Worauf Senator Rubio, sein Kollege Rand Paul und weitere republikanische Parlamentarier am heftigsten reagierten, hängt mit zwei Telefonaten Milleys mit Peking zusammen. Am 30. Oktober, kurz vor der Wahl, rief der Generalstabschef den chinesischen General Li Zuocheng an und sagte: "General Li, Ich will Ihnen versichern, dass die US-Regierung stabil ist und alles in Ordnung sein wird. Wir werden Sie nicht angreifen oder irgendwelche kriegerischen Operationen gegen Sie unternehmen."
Der Hammer: Sollte es (auf Anweisung Trumps) dennoch dazu kommen, werde er, Milley, persönlich China vorab in Kenntnis setzen. Nach der Erstürmung des Kapitols wandte sich Milley am 8. Jänner erneut an Li: "Wir sind einhundert Prozent stabil. Alles ist gut. Aber Demokratie kann manchmal schluderig sein."
Marco Rubio erkennt in Milleys Aktionen "das Erwägen einer hochverräterischen Weitergabe von vertraulichen Informationen an die kommunistische Partei Chinas im Vorfeld eines möglichen bewaffneten Konflikts mit der Volksrepublik China". Damit habe der General die absolute Befehlsgewalt Trumps "untergraben" und müsse deshalb abberufen werden.
Doch Präsident Joe Biden denkt nicht an einen Rauswurf Milleys. Er habe "vollstes Vertrauen" in den Generalstabschef hieß es aus dem Weißen Haus.
Trump spricht von "Fake News"
Donald Trump hingegen meldete sich den kompletten Dienstagabend über diverse US-Sender zu Wort. Tenor: Milley müsse unverzüglich wegen Hochverrats zur Verantwortung gezogen werden – wenn die in Woodwards Buch dokumentierten Vorgänge der Wahrheit entsprächen. Und da hat Trump seine Zweifel. Der preisgekrönten Haupt-Autor und "Watergate"-Enthüller, dem Trump für vorherige Bücher bereitwillig mehrere Audienzen gewährt hatte, schreibe "Fiktion, keine Fakten." Milley sei zwar ein "Blödmann" aber die ganze Geschichte sei "Fake News". Er, Trump, habe niemals daran gedacht, China anzugreifen - "und China weiß das".
In Militärkreisen werden die von Woodward und Costa beschriebenen Vorgänge als "authentisch" bezeichnet.
Letzteres gilt nach republikanischen Insidern auch für ein bisher unterbelichtetes Kapitel in Woodwards neuem Buch. Danach hatte der rechtskräftig verurteilte und von Trump später begnadigte Präsidenten-Berater Steve Bannon offenbar maßgeblich Anteil an Trumps Rolle im Vorfeld der Erstürmung des Kapitols. Danach hat Bannon Trump gedrängt, vor dem 6. Jänner aus seinem Florida-Domizil Mar-a-Lago zurück nach Washington zu kommen und Vizepräsident Mike Pence damit zu instruieren, den Wahl-Sieg Bidens nicht zu zertifizieren. Es müsse am 6. Jänner darum gehen, "Biden verdammt noch mal zu beerdigen", wird Bannon zitiert.
Trump tat wie ihm geraten wurde und setzte Pence mehrfach massiv unter Druck, in seiner Rolle als Vizepräsident Biden den Weg ins Weiße Haus zu verstellen. Pence erkundigte sich eigens beim früheren republikanischen Vizepräsidenten Dan Quayle, ob er Trumps Drängen formal nachgeben könnte. Quayle, der unter Präsident George H.W. Bush diente, verneinte: "Du hast hier null Flexibilität. Du hast keine Macht." Als Pence dem nachkam und Trump vor der Abstimmung im Kongress am 6. Jänner einen Korb gab, reagierte Donald Trump laut Buch wie ein beleidigtes Kind: "Dann will ich nicht mehr Dein Freund sein."
Kommentare