Warum Russlands Außenminister sein Sinn für Luxus in die Quere kommt

Warum Russlands Außenminister sein Sinn für Luxus in die Quere kommt
Sergej Lawrow ist ein Vollprofi der Diplomatie. Für seine Dienste lässt er sich ein Jetset-Leben finanzieren, das durch die Sanktionen in Gefahr gerät.

Schwer zu sagen, wo ihn die Nachricht wohl ereilte. Schließlich ist Sergej Lawrow auf diplomatischer Dauertournee rund um die Welt, und der Ukraine-Krieg hat die noch einmal beschleunigt. Doch es war wohl eine Überraschung, und keine freudige, die Russlands Außenminister vor ein paar Tagen ereilte. Die Wohnung – oder sollte man lieber Residenz sagen? – einer 26-jährigen Wirtschaftsstudentin im vornehmen Londoner Stadtteil Chelsea war von der Regierung konfisziert worden. Eine Folge der Sanktionen gegen Russland und dessen politische Führung. Was Polina Koleva damit zu tun hat, lässt sich nur erklären, wenn man sich ein bisschen mit Lawrows Privatleben befasst.

Warum Russlands Außenminister sein Sinn für Luxus in die Quere kommt

Wie viele Mitglieder der russischen Führungsriege – darunter auch Kremlchef Wladimir Putin selbst – hat der Außenminister eine offizielle Familie und eine inoffizielle. Polina Koleva ist, wenn man den ziemlich handfesten und weltweit publizierten Gerüchten vertraut, die Tochter von Lawrows Langzeitgeliebter Svetlana Polyakova.

Liebt Maßanzüge

Die 50-Jährige begleitet ihn seit vielen Jahren auf seinen dienstlichen Auslandsreisen. Die ehemalige Schauspielerin ist seit einigen Jahren Mitarbeiterin im russischen Außenministerium und hat es dort zu beachtlichem Wohlstand gebracht. So soll ihr nicht nur die auf mehr als fünf Millionen Euro geschätzte Wohnung in London gehören, sondern auch eine stattliche Sammlung an Luxusautos, eine Jacht und vieles mehr.

Bestes Tuch für Maßanzüge

Die Londoner Wohnung soll auch Lawrow quasi als zweiter Wohnsitz gedient haben. Schließlich schätzt der Mann, der viele Jahre im diplomatischen Einsatz im Westen – etwa in New York – verbracht hat, einen eleganten Lebensstil. So gilt er als Liebhaber von Maßanzügen aus feinstem Tuch und soll die vorzugsweise in London anfertigen lassen.

Warum Russlands Außenminister sein Sinn für Luxus in die Quere kommt

Zahlreiche Details über die Zweitfrau des Außenministers wurden im Vorjahr vom Team des inhaftierten Regimekritikers Alexej Nawalny veröffentlicht. Einige der Informationen über das Luxusleben von Svetlana und ihrer Tochter aus erster Ehe waren da offensichtlich nicht schwer zu finden. Die Tochter selbst hatte sie offenherzig auf ihrer Instagram-Seite hergezeigt. Die ist inzwischen natürlich gelöscht.

Handfeste Informationen

Was da und in den Recherchen des Nawalny-Teams ans Tageslicht kam, war offensichtlich so handfest, dass es der britischen Regierung genügte, um zu handeln und die Wohnung und einige andere Besitztümer zu konfiszieren.

Doch die Informationen beschränken sich nicht auf Seitenblicke in das diskrete Luxusleben des Außenministers. Sie zeigen vielmehr, wie eng Lawrow mit einigen Oligarchen, die so wie er ebenfalls auf den Sanktionslisten westlicher Länder stehen, verbunden ist. Etwa auch mit Oleg Deripaska, dem Langzeit-Geschäftspartner der Österreicher Hanspeter Haselsteiner und Siegfried Wolf. Lawrow soll auf Deripaskas Jacht Urlaub gemacht haben. Und Polina, die offizielle Bewohnerin der konfiszierten Londoner Wohnung, schwärmte von einer von Deripaskas Villen als ihrem quasi Zweitwohnsitz.

Das offensichtlich notorische Jetset-Leben seines Außenministers scheint Putin nicht zu stören, solange er sich auf dessen Dienste verlassen kann. Dass das so ist, demonstrierte Lawrow erst in den vergangenen Tagen wieder, als er auszog, um vor der Weltöffentlichkeit die Enthüllungen über Russlands Kriegsverbrechen in der Ukraine gerade zu biegen.

Gewiefter Taktiker

Das alles, so erklärte er in einem offiziellen Video seines Ministeriums, sei nichts anderes als „Hysterie“ und eine Inszenierung der Ukraine, die nur dazu diene, Russland zu denunzieren und vor allem, um von den laufenden Verhandlungen zwischen den beiden Ländern abzulenken.

Doch der gewiefte Taktiker ist nicht nur dazu da, die oft wenig glaubwürdigen Botschaften des Kreml in die Welt hinauszutragen. Dank seiner diplomatischen Schachzüge ist es Russland gelungen, auf der Weltbühne nicht nur wieder ernst genommen zu werden, sondern auch – zumindest bis vor diesem Krieg – mit vielen seiner außenpolitischen Abenteuer durchzukommen: Etwa in Syrien oder nach der Besetzung der ukrainischen Krim 2014, wo die Empörung des Westens sehr rasch abflaute und man wieder zur weltpolitischen Tagesordnung überging.

Lawrow profitiert von seiner Erfahrung, schließlich ist er schon seit den 1980ern auf der Weltbühne unterwegs und hat ein gutes Dutzend US-Außenminister er- und überlebt. Seine Skrupellosigkeit ist in all den Jahren wohl nur noch ausgeprägter geworden. Den moralischen Kompass des Russen, meinte ein US-Spitzendiplomat einst, habe er nicht finden können.

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