Massaker in Butscha: Lawrow wirft Ukraine "Inszenierung" vor

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Nachdem Hunderte zivile Opfer in dem Kiewer Vorort gefunden wurden, erhebt der russische Außenminister fragwürdige Vorwürfe.

Die Bilder aus der kleinen Stadt Butscha, wo nach dem Abzug russischer Truppen mindestens 330 Leichen von Bewohnern auf den Straßen und in der Erde verscharrt gefunden worden waren, sorgen international für Entsetzen.

Die Ukraine macht für das Massaker russische Truppen verantwortlich, die die Stadt bis vor kurzem besetzt hatten. Moskau bestreitet das nicht nur, es erhebt auch schwere Vorwürfe gegenüber Kiew. Die dortige Regierung habe die Lage in Butscha inszeniert, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Montag. Es handle sich um einen „erfundenen Angriff“ mit dem Ziel, Russland zu diskreditieren.

Lawrow fordert zudem Großbritannien auf, seine Aufgaben im UN-Sicherheitsrat zu erfüllen. Das Land, das derzeit den Vorsitz des Gremiums hält, hat den russischen Antrag auf Einberufung einer Sicherheitsratssitzung bereits am heutigen Montag zurückgewiesen. Die Sitzung soll stattdessen am Dienstag stattfinden.

"Ukrainische Provokation"

Das russische Präsidialamt hatte bereits zuvor sämtliche Vorwürfe im Zusammenhang mit Butscha kategorisch zurückgewiesen. Die Fakten und der zeitliche Ablauf der Vorkommnisse entsprächen nicht der ukrainischen Darstellung, sagt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Deshalb sollten Anschuldigungen der ukrainischen Seite angezweifelt werden und internationale Politiker keine vorschnellen Schlüsse ziehen. Die Ereignisse von Butscha seien eine „ukrainische Provokation“.

Selenskij-Kritik an Merkel

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij geht unterdessen von noch Schlimmerem aus. Er befürchtet weitere Verbrechen und dass sich noch „schrecklichere Dinge auftun könnten“ als das, was bisher über die Verbrechen in Butscha bekannt geworden ist.

Andere Regionen des Landes stünden noch unter russischer Kontrolle. Dort könnten „noch mehr Tote und Misshandlungen“ bekannt werden, sagte Selenskij.

Er lud die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einer Reise nach Butscha ein. Merkel könne sich dort - ebenso wie der ehemalige französische Präsident Nicolas Sarkozy - ein Bild von ihrer gescheiterten Russland-Politik der vergangenen Jahre machen, sagte Selenskij in einer Videobotschaft.

Seit Freitag wurden nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft bereits 140 der bisher 410 geborgenen Leichen aus der Region Kiew obduziert. Außerdem nahmen demnach mehr als 50 Mitarbeiter von Staatsanwaltschaft und der Nationalen Polizei erste Ermittlungen zu den Verbrechen im Gebiet Butscha auf. Auch in anderen Regionen soll es Untersuchungen geben.

Kriegsverbrecher-Tribunal gefordert

Nach den Kriegsgräueln forderte die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Nicola Beer, ein „Sonderkriegsverbrecher-Tribunal ähnlich wie bei den Jugoslawien-Kriegen“ gegen die Verantwortlichen.

„Für uns alle ist die Monstrosität dieser Taten unbegreiflich“, sagte die FDP-Politikerin bei Bild-TV. "Das sind schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das sind Kriegsverbrechen."

Bundeskanzler Karl Nehammer sprach von "Kriegsverbrechen", für die die russische Armee sich zu verantworten hat. "Sie müssen lückenlos aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden", so der Kanzler in einem Tweet.

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