Frances denkt bereits an 2028. „Was passiert, wenn Trump im Herbst gewählt wird und er vier Jahre später einfach weiter im Amt bleibt?“ fragt die amerikanische Mittfünfzigerin aus Maryland. „Pfeift er auf unsere Demokratie“?“ Zwar lernt in den USA schon jedes Schulkind: Nach zwei Amtszeiten ist für einen Präsidenten Schluss, das gebietet die Verfassung. Aber Frances’ Mann pflichtet ihr bei: „Bei Trump haben wir schon viel gesehen, was früher undenkbar war.“
Die Vorwahlen in Iowa und New Hampshire haben es gezeigt: Donald Trump hat seine einzige Konkurrentin bei den Republikanern, Nikki Haley, so gut wie aus dem Feld geschlagen. Der 77-jährige Ex-Präsident nimmt energisch Kurs auf das Weiße Haus. Mit „50 zu 50-Prozent-Chancen“, ist aus mehreren Think Tanks in Washington zu hören, dass er im November seinen Gegenkandidaten, Präsident Joe Biden, besiegen wird.
„Unabhängig davon, wie die US-Wahlen ausgehen, bleibt für Europa eine enge transatlantische Beziehung von größer Wichtigkeit“, sagt Europaministerin Karoline Edtstadler. Bei einem mehrtägigen Besuch in Washington versucht die Ministerin aus „Austria“ die Stimmung auszuloten: Was käme auf Europa mit einem möglichen Präsidenten Trump zu?
Auf jeden Fall eine scharfe Brise, bestätigt ihr denn auch gleich Politikanalyst Brigham McCown vom renommierten Think Tank Hudson Institute. Als ehemaliger hoher Regierungsbeamter kennt er den Ex-Präsidenten persönlich und weiß: „Trump ist Europaskeptiker. Er wird den Europäern gleich klar machen, dass er nicht einsieht, warum die USA so viel für deren Verteidigung zahlen sollen und dass sie sich die Europäer in Zukunft besser selber verteidigen.“
Noch deutlicher bekommt Edtstadler die Trump’sche Kühle gegenüber dem alten Kontinent bei einem Besuch bei Senatorin Marsha Blackburn zu spüren. Die gestrenge Republikanerin, eine Trump-Anhängerin der ersten Stunde ist bemüht höflich, interessiert sich aber herzlich wenig für Österreich. Nur bei der Migration – Wahlkampfthema Nummer 1 der Republikaner – taut sie auf.
Einen „echten Wall“ brauche es zur Grenze nach Mexiko, bessere Technologie, Grenzpatrouillen. Schließlich seien seit Bidens Amtsantritt sechs Millionen Menschen illegal über die Grenze in die USA gekommen. Und mit ihnen Drogen, Kriminelle, Menschenhändler – Trump, so die Senatorin, werde das beenden. Und dann fällt ihr doch noch etwas zu Österreich ein: Ihr Mann habe bei einem Besuch in Wien ein spezielles Bierglas gekauft. Das liebe er bis heute.
Partnerschaft
Beim Treffen mit dem demokratischen Senator aus Vermont, Peter Welch, ist die Stimmung schon besser. Seit zwei Jahren gibt es eine Partnerschaft zwischen Österreichs Bundesheer und der Nationalgarde des US-Bundesstaates. Aber mehr Zusammenarbeit wie diese, Handelshemmnisse und Zollhürden abbauen – das dürfe von einem möglichen Präsidenten Trump nicht erwartet werden, warnt Politikexperte Thomas Kahn.
Und auch Edtstadler befürchtet nach ihren Gesprächen in der US-Hauptstadt: „Eine mögliche zweite Präsidentschaft Trumps würde erneut ,America First‘ bedeuten, und ,internationale Zusammenarbeit Second‘. Natürlich, so die Ministerin zum KURIER, „akzeptieren wir als Demokraten jede Entscheidung des amerikanischen Volks und werden selbstverständlich die Zusammenarbeit mit der gewählten Administration suchen. Aber: „Europa muss sich auch auf ein Szenario vorbereiten, in dem Amerika mehr auf sich als auf andere schaut und entsprechend agieren: durch eine unabhängigere Sicherheitspolitik.“
Politikkenner Kahn, der 33 Jahre lang im US-Kongress gearbeitet hat, glaubt dennoch: „Biden wird gewinnen. Denn allmählich spüren die Menschen, dass es ihnen besser geht: Die Inflation ist gesunken, die Zinsen sind wieder niedrig, die Arbeitslosigkeit ebenso.“ Und dann gebe es zudem die Möglichkeit, dass Trump noch vor den Wahlen verurteilt werden könnte. „Das würde die Situation ändern. Bis zu 20 Prozent der republikanischen Wähler würden dann nicht für ihn stimmen.“ Das hieße unweigerlich: Vorteil Biden.
Und wie steht es mit den von den USA versprochenen 60 Milliarden Dollar, ohne die sich die Ukraine nicht ausreichend verteidigen kann? Gar nicht so schlecht, glauben die Experten des eher konservativen Think Tanks Hudson. Von den bisher geleisteten 113 Milliarden Dollar blieben 70 in den USA: Neue Waffen von US-Rüstungsproduzenten wurden gekauft und die alten Bestände an die Ukraine geliefert. Und auch bei der nächsten Milliarden-Tranche für Kiew wird die US-Rüstungsindustrie riesige Aufträge einheimsen.
„Das sichert tausende Jobs daheim“, heißt es. Dagegen dürften sich auch die Republikaner im Wahljahr nicht auf Dauer querlegen. Aber dann müsse man über eine langfristige Perspektive für die Ukraine nachdenken, sagt Verteidigungsexperte Peter Rough von Hudson. Wahlkämpfer Trump hat schon einen Plan: „Wenn ich Präsident bin, beende ich den Ukraine-Krieg in einem Tag.“
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