Wie das aussehen kann, hat der Trump-nahe Think Tank „Center for Renewing America“ vorgezeichnet. Demnach würden die USA nur mehr „Feuerwehrmann in Notzeiten“ sein, Europa also nur im Fall eines Atomangriffs zur Seite stehen. Die US-Flotte im Atlantik würde man zur eigenen Sicherheit nicht abziehen, die 100.000 in Europa stationierten US-Soldaten aber schon. Das wäre für die derzeitige Sicherheitsordnung ein heftiger Schlag: Die US-Stützpunkte sind vor allem für die Verteidigung der Ostflanke wichtig – da ist Europa wegen Russland am verwundbarsten.
Was heißt das für den Krieg in der Ukraine?
Nicht Gutes. Die USA haben seit Kriegsbeginn die Hälfte aller Waffen und Munition geliefert, dazu kommt die Aufklärung durch Geheimdienste, ohne die Kiew nur schwer operieren könnte.
Trump hat angekündigt, all das einzufrieren. Denkbar ist, dass er, der gern den „Dealmaker“ gibt, einen Friedensschluss provoziert, dem sich Kiew wegen der fehlenden Militärhilfe wohl beugen müsste. Annektierte Gebiete würden so Russland zufallen, die Restukraine würde Gefahr laufen, als „Failed State“ zu enden – die politische Führung würde ein solches Szenario wohl nicht überstehen. Das ist auch Präsident Selenskij klar: Er sagte kürzlich, mit Trump als US-Präsident würde wohl der „ganze Apparat auseinanderbrechen“.
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Ist Europa auf so ein Szenario vorbereitet?
In den EU-Hauptstädten und in Brüssel wird viel darüber debattiert – aber nur hinter vorgehaltener Hand. In Berlin bemüht man sich, nichts zu verschriftlichen, sodass nichts geleakt werden kann. Der Gedanke dahinter: Allein das Eingeständnis, dass man mit Trump rechne, schwäche Präsident Biden.
Sicherheitspolitisch ist Europa aber nicht besonders gut auf eine Präsidentschaft Trumps vorbereitet, da sind sich fast alle Experten einig. Zwar erreichen mittlerweile zehn europäische NATO-Staaten das Zwei-Prozent-Ziel, vor zehn Jahren waren es nur drei. Und mit dem strategischen Kompass, einem Aktionsplan, um die eigene Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit bis 2030 zu stärken, und der Friedensfazilität, einem gemeinsamen Geldtopf für den Kauf von Kriegsmaterial, hat auch die EU kleine Schritte unternommen.
Aber: Auch hier leidet Brüssel an alten Gebrechen. Ungarn etwa blockiert die Ukraine-Hilfe über die Friedensfazilität. Und die ausfallende Militärhilfe für die Ukraine könnte Europa ohnehin nicht alleine stemmen, da die eigenen Arsenale dafür viel zu leer sind; die Rüstungsproduktion kommt kaum hinterher. Dazu kommt eine andere Drohkulisse, die vor allem Frankreich verunsichert: Steigt Trump tatsächlich ganz aus der NATO aus, wäre auch der atomare Schutzschirm Europas Vergangenheit – Frankreich und Großbritannien verfügen bei Weitem nicht über die Arsenale, um eine Abschreckung Russlands zu erzielen.
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Trump will sich auch als Weltpolizist zurückziehen. Was wäre die Konsequenz?
Auch unter Joe Biden wollten die USA nicht mehr global einschreiten, in keine Kriege mehr verwickelt werden. 1967 hatten sie – am Höhepunkt des Daseins als globale Einsatzkraft – 1,2 Millionen Soldaten weltweit in Konfliktregionen, heute sind es nur mehr 200.000. Trump will das noch weiter zurückfahren. Allein: Wo amerikanische – und da vor allem wirtschaftliche – Interessen gefährdet sind, wird sich der Weltpolizist USA auch weiterhin einmischen. Zu sehen ist das an den Houthis in Jemen, die die globale Wirtschaft derzeit massiv torpedieren.
Für Europa wäre ein Rückzug der USA als Weltpolizist aber die schlechteste Nachricht überhaupt – es müsste nicht nur die instabile Ukraine alleine schultern, sondern auch die Bedrohung durch Russland: Dass die Ukraine unter Trump der NATO beitreten kann, gilt nämlich als fast ausgeschlossen. Sicherheitsgarantien für Kiew, die Putin von einer erneuten Großoffensive abhalten könnten, könnte Europa ohne US-Rückendeckung nicht leisten.
Nur für einen wäre Trumps Wiederwahl ein echter Glücksfall: Für Wladimir Putin, der Trump angeblich bereits 2016 per Wahlmanipulation ins Amt verholfen haben soll.
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