Von Putin bis Kickl: Rechte gratuliert Orbán, EU hält sich zurück
Orbán startet mit einem eindeutigen Wahlsieg in seine insgesamt fünfte Amtszeit. Doch es könnte die wohl schwierigste Regierungsperiode bisher für ihn werden.
Die Enttäuschung stand den Anhängern des Oppositionsbündnisses am Sonntagabend im Stadtpark in Budapest ins Gesicht geschrieben: Der Spitzenkandidat der geeinte Opposition, der konservative Kleinstadtbürgermeister Péter Márki-Zay, stand allein auf der Bühne, suchte ermutigende Worte; hinter ihm seine sieben Kinder, der liberale Bürgermeister von Budapest und die Parteivorsitzende der Momentum-Bewegung. Vorbei scheint es mit der Rückendeckung der EU, die im Voraus keinen Hehl daraus gemacht hat, wen sie lieber an der Spitze Ungarns sehen würde (Márki-Zay wurde im Wahlkampf nach Brüssel eingeladen und von Ex-Ratspräsident Donald Tusk unterstützt, Anm.). Und auch das Bündnis der sechs Oppositionsparteien ist Geschichte.
Viktor Orbán bleibt Ministerpräsident von Ungarn und geht in seine insgesamt fünfte Amtszeit – mit einem Sieg "so groß, dass man ihn sogar vom Mond sehen kann, jedenfalls aber aus Brüssel", schoss Orbán noch am Wahlabend gegen die Union und alle anderen "Gegner": von der ungarischen Linken über die internationale Presse bis zum ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij. Dieser hatte Orbán zuvor mehrmals öffentlich kritisiert und gefordert, Orbán müsse Kremlchef Wladimir Putin explizit für seinen Angriff auf die Ukraine verurteilen.
Doch das wird Orbán wohl auch weiterhin nicht tun: Denn Putin selbst war einer der Ersten, die Orbán zum Sieg gratulierten.
Man sei zuversichtlich, "dass die künftige Entwicklung der bilateralen Beziehungen trotz der schwierigen internationalen Lage den Interessen der Völker Russlands und Ungarns entsprechen wird", hieß es vom Kreml.
Und während sich Parteifreunde von konservativ bis rechtsnational – darunter Matteo Salvini, Marine Le Pen und Herbert Kickl als einziger Vertreter einer österreichischen Partei – den Glückwünschen anschlossen, beklagte die OSZE, die mit Wahlbeobachtern vor Ort gewesen war, fehlende Wettbewerbsgleichheit, unausgewogene Berichterstattung und mangelnde Transparenz der Wahlkampffinanzierung. Und das linke Lager sucht nach Antworten für Orbáns eindeutigen Sieg.
Kaum mehr Verbündete
Einerseits habe der Krieg dem sich als Beschützer der ungarischen Nation inszenierenden Orbán in die Karten gespielt, sagt Péter Krekó, Direktor des unabhängigen Thinktanks Political Capital in Budapest. Vor Kriegsausbruch lieferten sich Fidesz und das Oppositionsbündnis in den Umfragen ein Kopf-An-Kopf-Rennen. Die Opposition unterstützte eindeutig die Positionen von EU und NATO; Orbán unterstellte dem Bündnis, es wolle Ungarn in den Krieg hineinziehen.
Andererseits sei es der Opposition trotz des konservativen Spitzenkandidaten nicht gelungen, Fidesz-Wähler abzuwerben; man habe die Menge an Unterstützern unterschätzt: Dem Politikwissenschaftler Zoltán Kiszelly vom regierungsnahe Institut Századvég zufolge hätten nur linke Stammwähler für die Opposition gestimmt. Das dürfte nicht nur der Kontrolle Orbáns über 80 Prozent der Medien geschuldet sein: Die Inhalte der Opposition erschienen zu idealistisch und unrealistisch im Gegensatz zu Orbáns starkem Auftreten und materiellen Zuwendungen.
Orbáns vierte Amtszeit in Folge dürfte jedoch seine schwierigste bisher werden: Ungarn könnte wegen der hohen Inflation und dem Zurückhalten von EU-Geldern durch den neuen Rechtsstaatsmechanismus eine Wirtschaftskrise blühen; bisher waren die EU-Gelder zu einem wesentlichen Teil für das Wirtschaftswachstum Ungarns verantwortlich. Weiters hat Orbán aufgrund des Krieges und seiner Kreml-Nähe Verbündete wie Polen verloren und steht derzeit in der EU alleine da. Wie Polens Regierung auf die Wiederwahl Orbáns reagieren wird, sei nun besonders spannend zu beobachten, sagt Krekó.
Während die einen meinen, er könne dadurch zum Einlenken gezwungen werden, befürchtet Edit Zgut von der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau, Orbán könnte das zum Anlass nehmen, um noch autoritärer aufzutreten und sich dem Osten zuwenden.
Gescheitertes Referendum
Einen Dämpfer für Orbán setzte es jedoch beim zeitgleich abgehaltenen Referendum über das umstrittene LGBTIQ-feindliche "Anti-Pädophilie-Gesetz". Orbán will damit die Darstellung von Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit in Bildungseinrichtungen einschränken. Doch obwohl sich knapp 70 Prozent an der Wahl beteiligten, wurde das Quorum verfehlt: Gut 20 Prozent der an der Wahl teilnehmenden Stimmberechtigten folgten dem Aufruf von Opposition und Zivilgesellschaft und gaben ungültige Stimmzettel ab. Somit lag die Beteiligung am Referendum nur bei 44 Prozent, für eine Anerkennung wären mindestens 50 Prozent nötig gewesen.
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