Orbán triumphiert in Ungarn mit Zwei-Drittel-Mehrheit

Orbán triumphiert in Ungarn mit Zwei-Drittel-Mehrheit
Die regierende Fidesz-Partei holt 135 Plätze im 199-köpfigen Parlament. Oppositionskandidat Márki-Zay verlor sogar in seinem eigenen Wahlkreis.

Aus dem vor Kriegsausbruch in den Umfragen prognostizierten Kopf-An-Kopf-Rennen zwischen der regierenden nationalkonservativen Fidesz-Partei und dem Oppositionsbündnis wurde schlussendlich doch nichts: Bereits kurz nach Schließung der Wahllokale  zeichnete sich am Sonntagabend eine Führung für die Regierungspartei Fidesz ab. Nach Auszählung von 86 Prozent der Stimmen dürfte die Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán 135 Plätze im 199-köpfigen Parlament erhalten. Selbst eine vierte Zwei-Drittel-Mehrheit in Folge scheint damit erreicht.

Das Oppositionsbündnis unter Péter Márki-Zay dürfte demnach auf 56 Sitze kommen. Márki-Zay musste abgesehen davon eine persönliche Niederlage einstecken: Er verlor in seinem eigenen Wahlkreis gegen den Fidesz-Kontrahenten.

Orbán triumphiert in Ungarn mit Zwei-Drittel-Mehrheit

"Es ist ein riesiger Sieg, so riesig, dass man ihn sogar vom Mond sehen kann, aber aus Brüssel auf jeden Fall", sagte Orbán in seiner Siegesrede in Budapest vor Fidesz-Anhängern.

Die Opposition zeigte sich schwer enttäuscht. "Wir erkennen Fidesz' Sieg an", stellte Márki-Zay am Wahlabend vor Anhängern klar. "Wir wussten im Vorhinein, dass das ein sehr ungleicher Kampf sein würde", so der Oppositionsführer. "Wir bestreiten allerdings, dass diese Wahl demokratisch und frei gewesen wäre. Fidesz hat nur aufgrund dieses (Wahl-)Systems gesiegt", beklagte er.

Orbán siegte also zum vierten Mal in Folge und tritt seine insgesamt fünfte Amtszeit an.

Durchschnittliche Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Wahlbehörde (NVI) bei 67,8 Prozent und damit knapp hinter den Werten von vor vier Jahren. Insgesamt dürfte es die dritthöchste Beteiligung seit den ersten freien Wahlen 1990 sein.

"Es ist ein riesiger Sieg, so riesig, dass man ihn sogar vom Mond sehen kann, aber aus Brüssel auf jeden Fall", sagte Orbán in seiner Siegesrede in Budapest vor Fidesz-Anhängern. "Wir haben die Unabhängigkeit und Freiheit Ungarns und seinen Frieden und seine Sicherheit beschützt", betonte der Regierungschef.

Überraschenderweise konnte die rechtsextreme Bewegung Mi Hazánk (Unsere Heimat) die Fünf-Prozent-Hürde überspringen und dürfte mit sieben Mandaten ins Parlament einziehen.

Keine fairen Wahlen

Begleitet wurde die Wahl erstmals von 330 Wahlbeobachtern der OSZE; die Organisation hatte im Voraus Bedenken über Unregelmäßigkeiten geäußert.

Fair waren die Parlamentswahlen allerdings von Beginn des Wahlkampfs an nicht: Orbán hat das Sagen über 80 Prozent der Medien in Ungarn. Achtmal mehr Geld als die gesamte Opposition soll die Fidesz-Partei außerdem für Wahlwerbung ausgegeben haben.

Orbán triumphiert in Ungarn mit Zwei-Drittel-Mehrheit

Die Enttäuschung bei den Anhängern des Oppositionsbündnisses ist groß.

Dazu kommt, dass für ungarische Staatsbürger unterschiedliche Wahlbedingungen gelten: Während die ungarische Minderheit in Rumänien und der Ukraine per Briefwahl abstimmen kann, dürfen in den Westen ausgewanderte Ungarn, etwa in Österreich, Deutschland, Großbritannien, nur an der jeweiligen Botschaft direkt wählen und müssen dafür oft weite Wege in Kauf nehmen. Die ungarische Minderheit in den östlichen Nachbarländern gilt als Fidesz-nahe, die ausgewanderten Ungarn im Westen als Orbán-Gegner. Das soll die Unterstützung der Opposition schwächen.

Der regierungskritischen Online-Plattform 444.hu zufolge sollen in Wien, Brüssel und Berlin über 70 Prozent der Wähler für Márki-Zay gestimmt haben.

Zudem hat der Krieg in der Ukraine dem Ministerpräsidenten in die Hände gespielt: Der Opposition wirft Orbán vor, sie würde Ungarn in den Krieg hineinziehen, indem sie Waffen und Soldaten schicken wolle. Gleichzeitig sei die Bevölkerung in Krisenzeiten weniger bereit, für eine komplett neue Regierung zu stimmen.

Ungarn vor der Krise

Die nächste Regierungsperiode dürfte keine leichte werden: Experten befürchten angesichts der hohen Inflation, dem Krieg vor der Haustür und dem Konflikt mit der EU eine wirtschaftliche Krise in Ungarn. Orbán verteilte Wahlzuckerl in Form von Steuererleichterungen für Familien, hob vorübergehend den Mindestlohn und die Pensionen an. Zuletzt schrieb er einen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und forderte die Auszahlung der bisher aus Angst vor unrechtmäßiger Verwendung zurückgehaltenen EU-Gelder. Er wolle damit die Flüchtlingswelle aus der Ukraine stemmen. Ökonomen entgegnen, er wolle damit die geleerte Staatskasse wieder auffüllen.

"Derzeit steht Ungarn alleine da in der EU: Sogar die einst engen Verbündeten des Višegrad-Bündnisses Polen, Tschechien und Slowakei haben Orbán aufgrund seiner Positionen im Ukraine-Krieg fallen gelassen", erklärt der Politologe Andreas Pribersky von der Uni Wien.

Ein Ministertreffen aller Bündnisstaaten in Budapest wurde kurz vor der Wahl deswegen abgesagt. "Orbán könnte dadurch gezwungen werden, sich der EU wieder anzunähern, um die Krise zu bewältigen", sagt Pribersky.

Umstrittenes Referendum

Gleichzeitig mit den Parlamentswahlen fand eine Volksabstimmung über das umstrittene "Anti-Pädophilie-Gesetz" statt, das auch international auf massive Kritik gestoßen war. Das Gesetz umfasst strenge Verbote der Darstellung von Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit in Bildungseinrichtungen und jugendfreien Medieninhalten. Es blieb vor Auszählung der Stimmen unklar, wie viele davon gültig und wie viele ungültig waren: Oppositionelle und Regierungskritiker hatten nämlich  dazu aufgerufen, die Referendumsfragen nicht oder in ungültiger Weise zu beantworten.

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