Der enttäuschte Fidesz-Wähler, der Orbán stürzen will
KURIER: Herr Márki-Zay, wird die Opposition 2022 gegen Orbán gewinnen?
Péter Márki-Zay: Zum ersten Mal seit zwölf Jahren besteht diese Möglichkeit wirklich. Eine geeinte Opposition ist derzeit der einzige Weg, Viktor Orbán zu stürzen.
Gelingen soll das mit Ihnen an der Spitze. Warum? Sie gelten in vielen Themen als genauso konservativ, genauso konfrontativ wie Orbán.
Wir pflegen sicher einen konfrontativeren Stil als es in Europa üblich ist. In den USA wären wir Demokraten, hier gelten wir als Republikaner. Bis 2010 habe ich selber Fidesz gewählt, damals fuhr die Partei noch einen liberaleren Kurs, war für den Beitritt zur EU und die Einführung des Euro. Dann begann Ungarn, in die falsche Richtung abzubiegen: Die öffentlichen Medien wurden beschränkt, Korruption zum alltäglichen Mittel, Orbán agierte autoritärer.
Péter Márki-Zay ist Bürgermeister der Stadt Hódmezövásárhely, Vater von sieben Kindern und beschreibt sich als gläubig und konservativ. Kritiker nennen ihn populistisch und unberechenbar. Der 49-Jährige war in der Privatwirtschaft tätig und lebte von 2004 bis 2009 in den USA und Kanada.
Voraussichtlich im April 2022 wird in Ungarn ein neues Parlament gewählt. Erstmals steht Viktor Orbán bei der Wahl 2022 eine geeinte Opposition gegenüber. Im Herbst wählten die sechs Oppositionsparteien – von Mitte links bis rechtsradikal – einen gemeinsamen Spitzenkandidaten, über 662.000 Menschen stimmten ab. Das endgültige Wahlprogramm soll im Jänner präsentiert werden.
Sie haben sich in den Vorwahlen gegen die Sozialdemokratin Klára Dobrev und den grünen Bürgermeister Budapests, Gergely Karácsony, durchgesetzt. Warum sind Sie besser geeignet?
Dobrev wäre ein Desaster gewesen. Sie ist die Frau des ehemaligen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány, eine der umstrittensten Figuren der ungarischen Politik. Er und die miserable Leistung seiner Linken sind der Grund, warum Fidesz in dieser Zeit an Stimmen gewonnen hat. Fidesz-Wähler würden niemals Dobrev wählen. Selbes gilt für Karácsony. Doch genau diese Wähler müssen wir ansprechen.
Sie haben 2018 die einstige Fidesz-Hochburg Hódmezövásárhely für sich gewonnen – mit demselben Prinzip der geeinten Opposition. Spricht das auch für Sie als Spitzenkandidat?
Ich ging nach meinem Studium in die USA, lebte dort und in Kanada, kam 2009 nach Hódmezövásárhely zurück und habe mich im Pfarrgemeinderat engagiert. Als die Jobbik-Partei (rechtsradikal, Anm.) mich fragte, ob ich für sie auf Gemeindeebene kandidieren würde, habe ich abgelehnt. Die Partei war mir zu rechts, ich identifizierte mich nicht mit ihren Werten. Ich trat als Parteiloser an, alle Oppositionsparteien unterstützten mich. Das Prinzip funktionierte danach auch in anderen Städten – und diesmal wird es auch bei den Parlamentswahlen funktionieren.
Falls Sie gewinnen – wie werden die Sitze im Parlament verteilt werden?
Diese Frage haben wir bereits intern intensiv diskutiert. Wir werden das entscheiden, wenn es an der Zeit ist. Prioritär ist jetzt einmal, Orbán zu schlagen. Was mir jedoch wichtig ist: mindestens drei Politiker mit Roma-Herkunft im Parlament, egal aus welcher Partei. Es ist unsere Aufgabe, die Gesellschaft zu repräsentieren.
Wird es überhaupt möglich sein, mit der aktuellen Verfassung, einem System, das Fidesz favorisiert, zu regieren?
Darüber habe ich bereits in Brüssel mit mehreren europäischen Regierungschefs gesprochen und auch mit Dobrev und Karácsony. Wir wollen jene Gesetze wieder herstellen, die Orbán abgeschafft hat. Ein Experten-Team soll damit betraut werden. Alle anderen Gesetze der Verfassung, wie etwa das Strafgesetz oder das Zivilrecht, werden aber nicht angerührt.
Sie gelten als gläubiger Katholik. Spielt das auch in Ihrer Politik eine Rolle?
Ich bin für einen säkularen Staat, also die Trennung von Staat und Kirche. Persönlich bin ich Christ und etwa gegen die Scheidung, aber das muss man in der Politik außen vor lassen. Was mir wichtig ist: keine Unterscheidung zwischen Hautfarbe, Geschlecht oder Herkunft. Alle Menschen haben die gleichen Rechte.
Auch Orbán gibt sich als gläubiger Christ.
Orbán ist kein Christ. Ich erinnere mich, als er in seiner ersten Zeit im Parlament gegen den Besuch des Papstes und die christlichen Werte hetzte.
Großer Streitpunkt zwischen Ungarn und der EU ist das gemeinsame Handeln in der Migrationsfrage. Welchen Kurs fahren Sie da?
Es braucht einen gemeinsamen Schutz der EU-Außengrenze. Gleichzeitig ist es Ungarns Aufgabe, seine Bevölkerung zu schützen, vor Kriminellen oder Terroristen, die ebenfalls über die Grenze kommen. Als Christ fragt man sich natürlich: Was würde Jesus tun? Er würde sich um die Flüchtlinge kümmern – und das müssen wir auch tun. Jedenfalls müssen wir gemeinsam die finanziellen Mittel dafür stemmen. Allerdings bin ich gegen eine Zwangsverteilung der Menschen, wie sie die EU vorsieht.
Was sagen Sie zur Blockade der Corona-Hilfsgelder von der EU?
Orbán ist Schuld, dass Ungarn derzeit keine Corona-Hilfsgelder bekommt. Der Bevölkerung stehen diese finanziellen Mittel zu. Wir garantieren, die Rechtsstaatlichkeit wieder her, und damit die Gelder der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen.
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