Von Ischgl bis zur Fleischfabrik: Was Corona-Brandherde ausmacht
Menschen, dicht gedrängt, viel Alkohol und dazu ACDCs „Highway to hell“, gegrölt von Hunderten gut befeuchteten Kehlen: die Après-Ski-Party im weltweit zu traurigem Ruhm gelangten „Kitzloch“ in Ischgl steht für eines jener Ereignisse, die die Ausbreitung der Pandemie explosionsartig befeuert haben.
„Superspreader-Ereignisse“ nennt sie eine Gruppe britischer Forscher von der London School of Hygiene, die sich mit den Ursachen der Ausbreitung der Pandemie befasst haben. Ihre Analyse: „Weltweit zeigt COVID-19 eine lokal völlig unterschiedliche Verteilung der Ausbreitung.“
Bemühungen auf diese Ereignisse konzentrieren
Daher könne man die Pandemie am besten unter Kontrolle bekommen, wenn man „die Bemühungen auf diese Superspreader-Ereignisse konzentriert“. Ob es also Ischgl ist, oder die Fleischfabrik in Deutschland, das Post-Verteilerzentrum in Hagenbrunn (NÖ): einzelne Orte sind der Schauplatz rasanter Verbreitung, während die meisten anderen Orte eine vernachlässigbare Rolle spielen.
„Die Ausbreitung könnte drastisch reduziert werden, wenn man diese einzelnen Superspreader-Ereignisse verhindert“, meinen die Forscher gegenüber dem britischen Telegraph: „Der Rest der Gesellschaft kann sich wieder öffnen.“
Einzelpersonen gesucht?
Geht es also darum, einzelne Ereignisse aufzuspüren, oder sogar Einzelpersonen, die besonders effektive Verbreiter des Virus sind, also Superspreader-Typen? Grundsätzlich gibt es bei jeder Infektionskrankheit Einzelpersonen, die besonders viele andere Menschen anstecken. Kinder etwa bei normalen Grippeepidemien.
Viren-Ausscheider
Bei Coronaviren aber ist dieser Unterschied zwischen jenen, die viele anstecken und jenen, die kaum jemand anstecken, noch dramatischer, wie auch der Infektiologe Herwig Kollaritsch für den KURIER analysiert: „Gerade bei Coronaviren gibt es Infizierte, die besonders viel davon ausscheiden.“ Bei der SARS-Epidemie – auch ein Coronavirus – seien solche Personen nachgewiesen worden. Es gebe Hinweise, dass es bei COVID-19 ähnlich funktioniere.
Bei der bisherigen Ausbreitung der Pandemie aber hätten solche Einzelpersonen vermutlichkeine Rolle gespielt, so Kollaritsch, „sonst wären dort noch viel mehr Leute angesteckt worden“. Ischgl & Co. , das seien einfach Orte mit optimalen Bedingungen für eine rasche Ausbreitung: „Viele Menschen auf engem Raum, die schwitzen und laut schreien.“ Für die Ausbreitung eines Virus per Tröpfcheninfektion sei das schlicht optimal.
"Wissen nicht, dass sie infiziert sind"
Auch die Epidemiologin Eva Schernhammer sieht in den Charakteristika für die Brennpunkte der Covid-Ausbreitung wenig Außergewöhnliches: Menschen auf engem Raum, die eben durch körperliche Schwerarbeit, oder auch Tätigkeiten wie Singen die Infektionsgefahr weiter hinaufschraubten. Und menschliche Superspreader, also jene Einzelpersonen, die quasi zur Virenschleuder würden, hätten weniger biologische als soziale Charakteristika. Das wahrscheinlich Wichtigste: "Sie wissen nicht, dass sie infiziert sind."
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