Viktor und die starken Männer: Ungarn ist im Wahlkampfmodus
Vor einem dichten Fahnenwald aus rot-weiß-grünen Nationalflaggen fordert Viktor Orbán Toleranz: Genauso wie Ungarn nicht vom Westen verlange, Ungarns Politik zu übernehmen, dürfe die EU nicht drängen, dass Ungarn ihre Grundsätze übernimmt. Der Ministerpräsident gibt sich "gnädig": Man habe bereits des Öfteren Brüssel Toleranzangebote unterbreitet und wolle die EU zusammenhalten.
So zumindest steht es in jener Version von Orbáns alljährlicher Rede zur "Lage der Nation", die das Kabinett auf der Staatswebsite veröffentlicht hat. Unabhängige Medien zitierten Orbán hingegen, wie er von einem "Krieg der EU gegen Ungarn", einem "Rechtsstaat-Dschihad" spricht.
Oppositionskandidat Péter Márki-Zay kritisiert noch Anderes: Orbán dürfte in seiner Rede die Armut, die Staatsverschuldung, die Inflation und die Abwanderung von Arbeitskräften vergessen haben.
(K)Ein fairer Kampf
Die heiße Wahlkampfphase hat begonnen: In sechs Wochen wählt Ungarn ein neues Parlament, dem nationalkonservativen Orbán gegenüber steht eine geeinte Opposition mit dem liberalkonservativen Márki-Zay. Doch ein fairer Wahlkampf wird das nicht, weiß Andreas Pribersky, Politikwissenschafter der Uni Wien, ein Ungarn-Kenner: "Die EU und die Nachbarländer Ungarns müssten viel genauer hinschauen, was dort gerade passiert."
Orbán sitzt jedenfalls auf dem längeren Ast: Er verfügt über finanzielle Ressourcen, Kontrolle über die Medien und Einfluss auf Staatsinstitutionen.
Márki-Zay tourt durch Ungarn, versucht, zuletzt in London, kommende Woche in Deutschland, die ausgewanderten Ungarn zu mobilisieren, hält Gesprächsrunden und Diskussionen ab und gibt sich volksnah. Orbán trägt den Wahlkampf auf der Weltbühne im Scheinwerferlicht autoritärer Regierungschefs aus: Ende Jänner empfing ihn Wladimir Putin im Kreml, vergangene Woche kam der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro direkt aus Moskau nach Budapest. Für das Treffen ließ der ungarische Premier sogar den EU-Sondergipfel zum Ukraine-Konflikt sausen, der am selben Tag stattfand.
Trump als Turbo?
Für Ende März hat Orbán Ex-Präsident Donald Trump nach Ungarn eingeladen.
Keinen amtierenden EU-Staatsführer traf Putin bilateral so häufig wie Orbán.
2019 fuhr Orbán als einziger EU-Staatsführer zur Amtseinführung Bolsonaros.
Im März zu Gast in Budapest? Mit Trump soll Orbán häufig telefonieren.
Dass dieser die Einladung annimmt, ist angesichts der am 25. und 26. März in Budapest stattfindenden Conservative Political Action Conference, einem wichtigen Forum der US-Konservativen, nicht unwahrscheinlich. Anfang Jänner hatte Trump seine Unterstützung ausgesprochen: Orbán habe "starke und wundervolle Arbeit geleistet, um Ungarn zu schützen". Deswegen verdiene er, wiedergewählt zu werden.
Auf den Straßen dominieren die Wahlplakate der regierenden Fidesz-Partei: Orbán schießt gegen den umstrittenen Ex-Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány, den er als Strippenzieher hinter der Opposition vermutet (siehe Infobox). Mit Preisobergrenzen für Benzin, subventionierten Grundnahrungsmitteln, erhöhten Renten und begrenzten Kreditzinsen für private Immobilien sammelt er Stimmen.
Am 3. April wählt Ungarn ein neues Parlament. Premier Viktor Orbán steht eine geeinte Opposition mit dem liberal-konservativen Kommunalpolitiker Péter Márki-Zay an der Spitze gegenüber.
12 Jahre ist Orbán ungarischer Ministerpräsident, schon einmal war er von 1998 bis 2002 im Amt. Er gilt als längstdienender Regierungschef in der EU. Davor war der sozialistische Ferenc Gyurcsány Ministerpräsident. Heute ist er Vorsitzender der Demokratischen Koalition (DK), Teil des Oppositionsbündnisses. Er musste wegen Korruptionsvorwürfen und einer geleakten Rede, in der er Betrug an der Bevölkerung zugab, zurücktreten. Bei der darauffolgenden Wahl 2010 gewann Orbán, die Fidesz-Partei holte die Zweidrittelmehrheit im Parlament.
In der Öffentlichkeit gilt Gyurcsány als umstritten, die Fidesz-Regierung nennt Márki-Zay dessen "Marionette". Auch ein TV-Duell mit Márki-Zay hat Orbán abgesagt mit der Begründung, er wolle wenn dann nur gegen Gyurcsány antreten.
Die Supermärkte müssen auf Werbetafeln auf die Preisdeckelung dank der Regierung hinweisen und Hausmeister die bei Gas bewerben. Berichten zufolge sollen die Wahlzuckerl den Staat bisher sechs Milliarden Euro gekostet haben. Währenddessen steigt die Inflation, ist so hoch wie zuletzt 2008.
Streit in Opposition
Der Opposition fehlen nicht nur die finanziellen Mittel und der Einfluss, das Bündnis kämpft mit internen Meinungsunterschieden: Wie werden die Plätze auf der Landesliste vergeben? "Diese Konflikte sind für die Fidesz-Partei ein gefundenes Fressen", meint Pribersky. Das Bündnis sei regierungsunfähig, so stelle es Fidesz dar.
Umfragen prognostizieren seit der Kür Márki-Zays im Herbst ein Kopf-an-Kopf-Rennen, staatsnahe Institute sehen den Fidesz wenige Prozentpunkte vor der Opposition. Eine vernünftige Prognose zum Wahlausgang abzugeben, sei aber (noch) unmöglich, sagt Pribersky: "Doch man merkt an der Heftigkeit der Schüsse, dass Orbán langsam nervös wird."
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