Vierte Welle überrollt Osteuropa: Serbiens Staatsschefin wegen Corona-Politik angezeigt

Vierte Welle überrollt Osteuropa: Serbiens Staatsschefin wegen Corona-Politik angezeigt
Im Oktober wurde in Serbien die höchste Zahl von Todesfällen seit Ausbruch der Pandemie gemeldet. Grund dafür sind unter anderem geschönte Zahlen.

1.727 Todesfälle in einem Monat. Das ist die höchste Zahl von Coronavirus-Toten in Serbien seit März 2020. Die Zahl wurde jedoch nicht am Höhepunkt der Pandemie vor etwa einem dreiviertel Jahr registriert, sondern im vergangenen Monat. Noch im September lagen die Zahlen um die Hälfte niedriger.

Serbien, noch vor wenigen Monaten ein Impf-Musterknaben, bekommt die steigenden Zahlen nicht in den Griff. Die vierte Corona-Welle rollt  in vielen Ländern Osteuropas.

Zurück nach Serbien: Dort haben die zwei Oppositionskräfte, die Demokratische Partei und die Versammlung des Freien Serbien (Skupstina Slobodne Srbije), am Montag Strafanzeigen gegen Ministerpräsidentin Ana Brnabic und Gesundheitsminister Zoran Loncar eingereicht. Sie hätten es unterlassen, im Einklang mit den sanitären Vorschriften vorzugehen, weshalb sie sich nach Meinung der Opposition des Amtsmissbrauches schuldig gemacht hätten. Einzelne Mitglieder des regierungseigenen Krisenstabes hatten schon vor Wochen strengere Restriktionsmaßnahmen forderte, Brnabic hat sich öffentlich dagegen ausgesprochen.

Die Impfung wäre der einzige Weg, um die Pandemie zu bewältigen, meinte sie.

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Ministerpräsidentin Ana Brnabic wurde bereits im Dezember des Vorjahres geimpft - mit Pfizer.

Zwar wurde Ende Oktober dennoch die Einhaltung von 3-G-Regel eingeführt, allerdings nur in Nachtlokalen ab 22.00 Uhr bis zu ihrem Schließen. Manch ein Experte hatte die Entscheidung gleich als nichtsbringend bezeichnet.

Brnabic ist nicht die Erste, deren Corona-Politik strafrechtliche Folgen haben könnte: Ihrem Amtskollege aus Brasilien, Jair Bolsonaro, drohen ebenfalls Konsequenzen wegen seiner nachlässigen Corona-Politik. Der brasilianischen Senat hat einen Antrag auf elf Strafanzeigen gegen Bolsonaro empfohlen.

Die Impfbereitschaft in Serbien hält sich in Grenzen: Gerade einmal 43,5 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft.

Abgerutscht

Anfang des Jahres sah das noch ganz anders aus: Da konnte sich Serbien damit brüsten, zeitweise einen so hoher Anteil der Bevölkerung geimpft zu haben wie sonst nirgends auf dem europäischen Festland. Den Vorsprung hatte sich Serbien gesichert, indem es nicht allein auf "westliche" Impfstoffe setzte, sondern zugleich auch auf Vakzine aus chinesischer und russischer Produktion. Die Bürgerinnen und Bürger konnten selbst wählen, welchem der angebotenen Impfstoffe sie ihr Vertrauen schenkten.

Seit dem Ausbruch der Pandemie wurden in Serbien, einem Land mit knapp sieben Millionen Einwohnern, rund 1,1 Million Krankheitsfälle und etwas über 10.000 Todesfälle notiert. So die Amtsangaben. Wie Regierungskritiker, darunter auch Ärzte, häufig behaupten, dürfte die Zahl der Krankheits- und Todesfälle aber weit höher liegen. Gesundheitsminister Loncar selbst bestätigte im Sommer, dass es im Vorjahr eigentlich 10.356 Coronavirus-Tote gegeben habe, wie man aufgrund von erneuter Datenuntersuchung festgestellt habe.

Wahlkampf-Taktik?

In den Angaben, die vom Gesundheitsministerium täglich veröffentlicht werden, wobei es auch die gesamten Todeszahlen gibt, ist diese Zahl bis dato aber nicht vorgekommen. Ärzte aus der regierungskritischen Vereinigung "Ärzte gegen das Coronavirus" gehen daher meist davon aus, dass die von den Behörden veröffentlichten Coronavirus-Daten eigentlich zu verdreifachen wären, um das wahre Bild über das Krankheitsausmaß zu erhalten. Die genauen Todeszahlen sollen unterschlagen worden sein, lautet der Vorwurf. Und zwar von einer von der serbischen Regierung ins Leben gerufene Kommission für Erforschung der Todesursachen. Anstatt diese aufzuklären, soll diese Kommission genau das Gegenteil getan - nämlich diese vertuscht haben.

Regierungskritiker sind überzeugt davon, dass die Amtsangaben und das Ausbleiben von unpopulären Restriktionsmaßnahmen eigentlich im Dienste der bereits für Anfang April 2022 angekündigten allgemeinen Wahlen stünden.

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