Skandal in Serbien aufgedeckt: Zahl der Corona-Toten drei Mal so hoch

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Das investigative Netzwerk BIRN fand heraus, dass die von der Regierung geformte Kommission für Erforschung der Todesursachen genau das Gegenteil von ihrer ursprünglichen Aufgabe tat.

8.841. So viele Serben sollen seit Beginn der Pandemie an den Folgen einer Covid-Erkrankung gestorben worden sein. Die Betonung liegt auf "sollen". Denn diese Zahl könnte deutlich höher sein. Nämlich um das Dreifache. 

"Manipulation bestätigt: Im Jahr 2020 gab es drei Mal so viele Sterbeurkunden von Corona-Opfern". So lautet die Schlagzeile auf der Homepage des Balkan Investigative Reporting Network (BIRN). Der am Dienstag erschienene Artikel dürfte vor allem den Gegnern des umstrittenen serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić als Bestätigung dienen. Seit geraumer Zeit kreisen hartnäckige Gerüchte, die besagen, dass die ohnehin enorm hohe Sterblichkeit in der größten Teilrepublik des ehemaligen Jugoslawiens noch höher sein dürfte.  

Vertuschte die Kommission die Zahlen?

BIRN will erfahren haben, dass es im vergangenen Jahr ordnungsgemäß ausgefüllte Sterbeurkunden gab, in denen in über zehntausend Fällen Covid als Ursache genannt wird. Unterdessen wurde eine weit geringere Zahl offiziell gemeldet - rund 3.000. Der Vorwurf der Unterschlagung von Corona-Fakten richtet sich an die eigens von der serbischen Regierung ins Leben gerufene Kommission für Erforschung der Todesursachen. Anstatt die Todesursachen aufzuklären, soll diese Kommission laut BIRN genau das Gegenteil getan haben - diese vertuscht haben.

"Obwohl nach Außen dargestellt wurde, dass die Daten zu 10.356 Corona-Todesfällen die größtmögliche Zahl auf der Grundlage der von der Kommission für die Analyse der Todesfälle durchgeführten Prüfung sind, ist dies tatsächlich die niedrigste Zahl, die allein auf der Grundlage der von der Republik im regulären Sterbeurkunden-Verfahren an das Statistische Amt (SBS) überliefert wurde", heißt es im Bericht. 

Im Grunde wurde dies bedeuten, dass es im Jahr 2020 genaue Zahlen von Todesfällen gab, diese waren in Krankenhäusern, in denen Sterbeurkunden ausgefüllt wurden. An die Öffentlichkeit gelangten aber andere, deutlich reduzierte Daten.

Lang gehegter Verdacht

Zweifel an den zu Beginn der Pandemie aufgetauchten offiziellen Daten zur Zahl der Corona-Toten wurden durch eine BIRN-Recherche vom Juni letzten Jahres bestätigt. Bereits damals ergab die Untersuchung der investigativen Journalisten, dass das Landesinformationssystem Covid19 über viel mehr Corona-Tote Bescheid wüsste als es tatsächlich an die Öffentlichkeit kommuniziert wurde.

Die Ende Mai 2021 vom Gesundheitsministerium ins Leben gerufene Kommission zur Erforschung der Todesursachen sollte den Gerüchten über die Manipulation von Zahlen ein Ende setzen. Sie konnte allerdings zu keinem Zeitpunkt die Diskrepanz zwischen dem Ist-Zustand und den Daten des statistischen Amtes erklären. 

Die Ratlosigkeit der Kommission, aber auch anderer gesundheitlicher Behörden, ist längst kein Geheimnis mehr. So erklärte der Epidemiologe und Mitglied des Krisenstabs Dr. Branislav Tiodorović gegenüber BIRN, dass ihm wie auch anderen Mitgliedern des medizinischen Personals im Krisenstab nicht alle Daten zum Verlauf der Pandemie vorliegen. "Lassen Sie mich das gleich klarstellen: Wir haben diese Daten. Kein Mitglied des medizinischen Personals des Krisenstabs hat diese Informationen, nur das Gesundheitsministerium", sagte Tiodorović.

Erfolgreiche Mission?

"Die Kommission sollte jeden einzelnen Todesfall untersuchen, nicht nur 10.000, sondern alle Todesfälle - unabhängig von der Todesursache - aus dem Jahr 2020. Man müsste jede einzelne Kartei durchgehen und feststellen, ob diese Person an Covid starb oder nicht. Also nochmals: Nicht nur diejenigen Toten, von denen man weiß, dass sie an den Folgen einer Covid-Erkrankung gestorben sind, sondern alle im letzten Jahr gestorbenen Menschen", erklärte Ivana Prokić, Doktor der Wissenschaften im Bereich Epidemiologie und Mitglied der NGO "United Against Covid Association", gegenüber BIRN. 

"In den drei Wochen, die von der Gründung bis zur Veröffentlichung der Ergebnisse vergingen, konnte die Kommission das nicht tun", sagt Prokić. Die Arbeit der Kommission sei dennoch erfolgreich gewesen, betont sie, "denn die Gerüchte über die Manipulation der Todeszahlen haben aufgehört". Wie es nun scheint, nur vorübergehend. 

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