Portsmouth vor den Wahlen: Trumpland auf der Suche nach Heimat
Sein Treffen mit Donald Trump? Von dem erzählt Jeff Albrecht gerne. „War ja auch irgendwie mein persönlicher Höhepunkt der letzten Jahre“, gibt der 70-jährige Geschäftsmann zu. Trump habe ihn damals, 2016 im Wahlkampf, sogar auf die Bühne geholt – und dann habe er Tausenden Menschen erzählt, warum er hier sei. Die Uran-Aufbereitungsanlage, gleich bei Portsmouth, die müsse man wieder aufsperren. Dort gebe es Jobs – und das in einer Gegend, in der Arbeitsplätze seit Jahrzehnten nur noch verschwinden.
Hier, im Süden von Ohio, in den Hügeln der Appalachen, war einst das Herzland der US-Industrie.
Kugeln und Schuhe
Man goss die Kugeln für die Nordstaaten- Armee im amerikanischen Bürgerkrieg, schiffte sie den Ohio-River hinunter. Als keine Kugeln mehr gebraucht wurden, verlegte man sich auf Schuhe. Irgendwann blieben nur noch die Schuhbänder übrig, die man hier herstellte – und auch damit ist es längst vorbei. Die Uran-Anlage war Jeff Albrechts Hoffnung – und Donald Trump, „der hat versprochen, dass er sich das anschauen wird“.
Fast überflüssig zu erwähnen, dass aus dem Aufsperren bis heute nichts wurde. Sei auch besser so, meinen viele der 20.000 Einwohner. Portsmouth habe nicht ohne Grund die miesesten Gesundheits-Daten von ganz Ohio.
Es gibt noch einen anderen Grund für das Gesundheitsdesaster in der Stadt: Drogen. Portsmouth war über Jahre einer der Brennpunkte der sogenannten „Opiate-Epidemie“. Korrupte Ärzte verschrieben hier massenhaft Opiate als Schmerzmittel an jeden, der sie haben wollte – bis die Patienten davon abhängig waren. „Hauptstadt der Opiat-Epidemie“ nannte die New York Times Portsmouth vor einigen Jahren. Ein Symbol für den Niedergang der Region.
„Trump ist kein Politiker“
Trump jedenfalls fuhr 2016 hier und in ganz Ohio einen fulminanten Wahlsieg ein. Das brachte ihn ins Weiße Haus und vielen der Bürger von Portsmouth das Gefühl, es denen in Washington heimgezahlt zu haben. „Trump ist kein Politiker“, macht Jeff, er ist der Kopf der örtlichen Republikaner, seine ungebrochene Sympathie für Trump deutlich: „Er ist der Typ, der die Probleme anpackt: Die Wirtschaft, die Steuern, die Energiekosten...“
Solche Lobeshymnen auf den Präsidenten bekommt man jetzt nicht mehr so oft zu hören in Portsmouth. Klar, die Mehrheit werde er wohl bekommen, macht sich sogar John McHenry, einer der örtlichen Demokraten, wenig Illusionen: „Die Leute hier sind konservativ, gläubig und sie lassen sich vor allem ihre Waffen nicht wegnehmen.“ Er selbst, gibt der Vietnam-Veteran zu, habe selbst fünf Stück davon zuhause.
„Identität verloren“
McHenry weiß nur zu gut, dass man Trump-Fans mit Argumenten nicht beikommt: „Diese Menschen haben nicht nur ihre Arbeitsplätze verloren, sondern auch ihre Identität. Das macht sie wütend – und Trump hat diese Wut für sie verkörpert.“
Doch so einfach funktioniert das mit der Wut und der Stimme für Trump auch in Portsmouth nicht mehr. Denn anders als Jeff Albrecht wollen viele seiner damaligen Wähler inzwischen lieber über ganz andere Dinge reden als ihre Frustration.
Dale King etwa erzählt lieber über sein Fitnessstudio, das er im Stadtzentrum mit großem Erfolg betreibt. Dass der Irak-Veteran damals Trump gewählt hat, war irgendwie selbstverständlich. Jetzt, meint er schmunzelnd, „will meine Frau, dass ich Biden wähle. Schauen wir einmal“.
Dales Fitnessstudio ist nur eines der alten Backsteinhäuser in der Stadt, die neu renoviert sind, amerikanische Postkarten-Idylle. „Wir haben eben eine große Geschichte“, meint Sean Dunne stolz.
Der Soziologe ist einer der Köpfe, die vor ein paar Jahren begonnen haben, diese Stadt aus ihrer Depression herauszuholen. Im Hauptberuf Professor an der örtlichen kleinen Universität, ist der Linke aus New York inzwischen sogar Stadtrat. Politisch komme er mit den konservativen Republikanern hier gut aus. „Wir streiten nicht über Ideologie, wir haben doch schon so genug Probleme zu lösen.“
Sean hat einiges getan, um sich den Respekt der örtlichen Unternehmer zu verdienen. Der bisherige Höhepunkt: Portsmouth hat 2020 den US-weiten Wettbewerb um den Titel der „All American City“ gewonnen. „Da geht es um Stadtplanung, aber auch um einen neuen Sinn für Gemeinschaft“, erklärt der Stadtrat und erzählt begeistert von Projekten wie dem Weihnachtsmarkt samt Eislaufbahn und einem Weihnachtslieder-Abend mit Hunderten Teilnehmern.
Die Drogenkrise ist hartnäckig, inzwischen aber hat man sie unter Kontrolle. Es gibt Drogenberatung und Entzugskliniken in der Stadt, und wer das überstanden hat, kann in einem Jobcenter einen Kurs belegen.
Was aber braucht eine Stadt wie Portsmouth, um aus der Krise herauszukommen? Für den Politikwissenschaftler Thomas Bunting geht es um eine Grundhaltung: „Die Leute müssen wieder draufkommen, dass sie alles, was sie für die Gemeinschaft tun, auch für sich tun.“
Die Hoffnung auf Trump, auf eine Uranmine, auf einen Präsidenten, der die alten Zeiten zurückbringen würde – das alles ist für Bunting „Nostalgie, und die ist giftig für Portsmouth“. Was ihm Hoffnung macht, hört sich allerdings auch nach Nostalgie an und klingt zugleich wie ein Stück vom American Dream: „Es gibt wieder so ein Gefühl von Heimat hier.“
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