Four (more) years: Was uns mit Biden oder Trump erwartet
Vier Jahre Joe Biden - oder vier weitere Jahre Donald Trump? Wie es nach den US-Wahlen am Dienstag weitergeht, hat nicht nur für die USA große Bedeutung. Wie wird der künftige Herr im Weißen Haus seine Politik anlegen - auch mit Blick auf "good old Europe"? Ein Ausblick.
Vier Jahre Biden
Vorweg: Die Befürchtung, morgens aufzuwachen und die Ausläufer erratischer Twitter-Kanonaden zu studieren, wäre hinfällig. Die medialen Erregungskurven, die Trump rund um die Uhr erzeugt hat, würden abflachen. Mit Biden, bald 78, würde US-Regierungspolitik entschleunigt, geplanter, im Stil weniger konfrontativ und nicht mehr so toxisch.
Innenpolitisch würde der Demokrat streng an wissenschaftlicher Expertise orientiert die Corona-Pandemie bekämpfen, wenn nötig inklusive regionaler „Lockdowns“ und Maskenpflicht.
Wirtschaftlich würde Biden Anleihen bei Trump nehmen, indem er die Nachfrage nach heimischen Produkten durch eine Beschaffungsinitiative mit staatlichen Anreizen pushen will. Das „Buy American“-Programm ist auf 400 Milliarden Dollar taxiert. Weitere 300 Milliarden sollen in Forschung und Entwicklung investiert werden. Elektromobilität und Künstliche Intelligenz lauten hier die Stichworte.
Um durch Trump entstandene soziale Unwuchten durch Sozial- und Steuerpolitik zu dämpfen, will Biden den Spitzensteuersatz von 37 % auf 39,6 % erhöhen und Schlupflöcher schließen. Wer unter 400.000 Dollar im Jahr verdient (98 % der Amerikaner) bleibt von Steuer-Korrekturen verschont, so sein Versprechen. Mit den kalkulierten Mehreinnahmen von rund drei Billionen Dollar über zehn Jahre sollen ehrgeizige Klimaschutz-Projekte finanziert werden. Biden will Amerika bis spätestens 2050 -frei machen.
Nach der Sturmreifschießung der Krankenversicherung Obamacare durch Trump würde Biden einen neuen Anlauf machen, um das Gesundheitswesen partiell solidarischer zu gestalten. Vorausgesetzt, die parlamentarischen Mehrheiten im Kongress sind da. In der Handelspolitik will der Demokrat Strafzölle nicht als willkürliche Keule einsetzen. Überproduktionen (etwa beim Stahl) sollen im Rahmen einer Gesamtstrategie reduziert werden.
In der Außenpolitik ist eine Rückkehr ins Pariser Klimaabkommen klar. Ebenso eine nachverhandelte Wiederaufnahme des Atom-Deals mit dem Iran, was heikle Verhandlungen mit Israel auslösen wird, das von Trump Vorzugsbehandlung gewohnt ist. Biden würde Russland stärker als Gegner identifizieren und nicht wie Trump mit Samthandschuhen anfassen.
Gegenüber China wird mit einer strategischeren, aber nicht sanfteren Vorgehensweise gerechnet. Biden würde versuchen, die Europäer und andere als Bündnispartner zu gewinnen, um Pekings Hegemonialstreben einzuhegen.
Bidens Hauptproblem: Amerika hat durch Trump weltweit viel Vertrauen eingebüßt. Washington gilt vielerorts nicht mehr als verlässlicher Partner. Dringende notwendige Rüstungskontrollvereinbarungen mit Russland oder China werden so erschwert. Als neuer Präsident müsste Biden zunächst Scherben aufsammeln und Verlässlichkeit demonstrieren.
4 weitere Jahre Trump
Vorweg: Ein Wahlprogramm für weitere vier Jahre hat Donald Trump, abgesehen von losen Gedanken, nie vorgelegt. Sein Tenor lautet: Fortsetzung des Altbekannten – oder „Make America great again, again“. Mit einem wesentlichen Unterschied.
Durch die Wiederholung seines schon 2016 für unwahrscheinlich gehaltenen Wahlerfolgs würde sich der Unternehmer gewiss noch weniger verpflichtet fühlen, auf Berater zu hören oder Konventionen zu beachten. Ein „Second-Term-Trump“, sagen Leute aus einem engeren Umfeld, „wird nur seinen unberechenbaren Instinkten und Eigeninteressen folgen.“
Wirtschaftlich würde er seine protektionistische Politik verfeinern. Strafzölle als Instrument zur Behebung von Handelsungleichgewichten kämen verstärkt auf die Tagesordnung. Unternehmen, die Industrie-Arbeitsplätze aus dem Ausland in die USA verlagern, vor allem in systemrelevanten Bereichen wie Pharma oder Hightech, würden steuerlich belohnt. Wer abwandert, würde bestraft und öffentlich angefeindet.
Die exorbitante Staatsverschuldung, durch die Corona-Pandemie nochmals gestiegen, ginge jedoch weiter. Prestige-Projekte wie eine bemannte Mars-Mission oder der Bau einer Mondstation würden Milliarden-Summen verschlingen. Ein dringend benötigtes Programm für die Ertüchtigung der Infrastruktur (Straßen, Flughäfen etc.), das bereits 2016 im Köcher seiner Wahlversprechen war, würde dort bleiben.
Trump würde den Regierungsapparat ganz auf Loyalität zu ihm einschwören. Kabinettsmitglieder und Top-Beamte bei CIA, FBI etc., die keinen Treueschwur ablegen, müssten gehen. Außenpolitisch würde Trump die Beziehungen zu autoritären Führern und Rechtspopulisten wie Nordkoreas Diktator Kim Jong-un, Saudi Arabiens Machthaber Mohammed bin Salman oder dem Ungarn Viktor Orbán ausbauen. Konsens-Politiker à la Angela Merkel würden ignoriert.
Die NATO könnte weiter geschwächt werden. Trump würde Gefolgschaft des westlichen Verteidigungsbündnisses gegen China einfordern, seinen geopolitischen Gegenspieler schlechthin. Wenn dies abschlägig beschieden würde, wäre ein Austritt der USA denkbar, sagt der ehemalige Nationale Sicherheitsberater John Bolton. US-Truppen-Abzüge in Südkorea, Japan und Deutschland sind zu erwarten. Trumps Aversion gegen Allianzen und multinationale Organisationen und Bündnisse (WTO, UN, EU etc.) würde sich verstärken.
Innenpolitisch ginge die Anti-Einwanderungspolitik nicht nur beim Bau der Mauer zu Mexiko weiter. Gesellschaftspolitisch wäre mit einem Rollback zugunsten konservativ-religiöser Gruppen zu rechnen. Kritische Medien müssten mit erheblichem juristischem Gegenwind rechnen.
Zu guter Letzt würde Trump sein Erbe bestellen und zwei seiner Kinder (Tochter Ivanka und Sohn Donald Jr.) für eine politische Karriere in Stellung bringen.
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