Wähler-Wut über Trump: „Er hat nur gelogen und angegeben“
Diese Wahlwerbung hat eine klare Botschaft – und die funktioniert. „Gratis-Mahlzeit“ steht in großen Lettern auf dem Plakat, das einer der Wahlhelfer gut sichtbar vor sich herträgt. Es gibt Burger, Hot Dogs und Limonade – und jede Menge Leute, die sich hier vor der „Greater Christ“-Kirche dafür anstellen.
„Es läuft ziemlich gut“, gibt sich Trevon optimistisch. Mit seinem weißen „Biden-Harris 2020“-Shirt lässt der Demokrat keinen Zweifel, für wen er hier als Wahlwerber Aufstellung bezogen hat.
Seit Wochen bauen Trevon und sein Team solche Imbiss- und Informationsstände vor jenen Wahllokalen in Detroit auf, in denen man vorzeitig seine Stimme abgeben kann. Dazu gibt es Infos, wo man sich noch registrieren lassen und ein Briefwahl-Kuvert bekommen kann.
Armut und Verfall
Dass es hier, unweit vom Stadtzentrum von Detroit, genug Kundschaft für Gratis-Essen gibt, macht eine Spazierfahrt durch die Gegend rasch klar.
Verfallene Häuser, vernagelte Geschäfte, leere Werkshallen. Detroit, die „Motorstadt“, hat schwere Jahre hinter sich. Die Autoindustrie, die Detroit über Jahrzehnte am Laufen hielt, kann mit der Konkurrenz aus Europa oder Korea längst nicht mehr mithalten. Da helfen auch staatliche Finanzspritzen, wie jene vom früheren Präsidenten Obama, nur kurzfristig – und patriotische Appelle wie jene von Präsident Trump schon gar nicht.
Und es sind die Afroamerikaner (sie machen mehr als 80 Prozent der Bevölkerung von Detroit aus), die in dieser schwärzesten Stadt der USA die Hauptlast der Krise zu tragen hatten: Arbeitslosigkeit, Schulden, Eigenheim-Verlust.
In Detroit hat diese Entwicklung ganze Viertel in Ruinenstädte verwandelt. Der Aufschwung, der inzwischen mit neuen High-Tech-Unternehmen zumindest in ein paar der Wolkenkratzer im Stadtzentrum zurückgekehrt ist, der macht sich in den Straßen um die „Greater Christ Church“ noch nicht bemerkbar.
Trump und Lincoln
Donald Trump, der kürt sich in diesem Wahlkampf unermüdlich zum Retter und Helden der Afroamerikaner. Keiner habe mehr für die Schwarzen getan als er, ist die aktuelle Parole bei seinen Auftritten, kein Präsident seit Abraham Lincoln. Der Demokrat Trevon setzt auf die Wut vieler Schwarzer über Trump und seine Sprüche. Die soll jetzt, bei dieser Wahl, die Afroamerikaner in die Wahllokale bringen. Hillary Clinton, damals, 2016, Trumps Gegnerin hat das nicht geschafft.
Zwar sind die Schwarzen traditionell treue Wähler der Demokraten, aber wenn viele von ihnen so wie 2016 einfach zu Hause bleiben, kann das für die Demokraten fatale Konsequenzen haben – gerade in einem umkämpften Bundesstaat wie Michigan. Der ging nämlich 2016 ganz knapp an Trump. Einer der Schritte, die ihn ins Weiße Haus bringen sollten.
Für schwarze Wähler, die schon ein paar Jahrzehnte US-Politik erlebt haben, wie das Ehepaar Earl und Endra, ist Wählen ohnehin selbstverständlich. Generationen von Afroamerikanern hätten für dieses Wahlrecht gekämpft, wird Endra gerne grundsätzlich. Wahlwerber Trevon weiß dennoch, dass er hier in Detroit weniger gegen die Republikaner ankämpft – „die trauen sich ja nicht einmal, sich vor den Wahllokalen hinzustellen“ – sondern gegen die Lethargie.
Biden auch nicht der Held
Joe Biden, der ist auch nicht der Held der Afroamerikaner, wie es Obama einst war. Außerdem, gesteht Trevon offen ein, habe Biden sich auch einige Fehler geleistet: „Dass er beim TV-Duell gesagt hat, dass er auf grüne Energie setzt und vom Erdöl loskommen will, das kommt hier bei den jungen Schwarzen gar nicht gut an. Die verstehen da nur, dass noch mehr Arbeitsplätze verloren gehen.“
Trump selbst, dem glauben hier vor dem Wahllokal auch die jungen Schwarzen nicht viel. Allerdings hat der Präsident einen Verbündeten, und der ist wirklich ihr Held. Ice Cube, schwarzer Rapper und Filmstar, lobt Trump bei jeder Gelegenheit. „Vertrag mit dem schwarzen Amerika“ nennt Ice Cube sein riesiges Sozial- und Wirtschaftsprojekt. Trump, so erzählt der Superstar, der habe sich das wenigstens angehört und Interesse gezeigt.
Mangelndes Interesse, das ist der Vorwurf an die Politik, den man in Detroit laufend hört. Die „Black Lives Matter“-Bewegung hat nach der Ermordung des Schwarzen George Floyd diesen Sommer mit ihren US-weiten Protesten politisch bestimmt. Ob die Demokraten und Joe Biden aber wirklich bereit sind, gegen den Rassismus in den USA anzutreten, bezweifeln viele junge Schwarze.
Nur viel geredet Biden wolle es sich doch nicht mit der Polizei verscherzen, meint einer der Wartenden vor dem Wahllokal: „Da wird viel über irgendwelche Details bei Gesetzen geredet, aber das große Problem gehen auch die Demokraten lieber nicht an.“
Und die Republikaner? Für die seien die Schwarzen ohnehin nur das Feindbild, der schwarze Mob, der die Straßen unsicher mache, mischen sich Kevin und Dustin, zwei weitere Wahlhelfer der örtlichen Demokraten ,in die Debatte ein: „Von denen werden wir doch seit Jahrzehnten ganz gezielt als das Böse abgestempelt, damit ihre Wähler sich fürchten können.“
Angst vor Corona
Alleingelassen, nicht unterstützt von der Politik zu werden, das ist das Grundgefühl, das in all diesen Gesprächen spürbar wird – und die Corona-Epidemie wird als nächster Beweis gebracht. Drei Mal so viele Schwarze wie Weiße würden laut aktueller Statistik schwer erkranken: „Gibt’s dafür einen anderen Grund als den, dass wir weniger Ärzte und schlechtere medizinische Betreuung haben?“
Die Angst, dass ein ohnehin miserables und zu teures Gesundheitssystem unter Trump noch schlechter werden könnte: Die macht dann vielen zuletzt die Entscheidung, zur Wahl zu gehen und für die Demokraten zu stimmen einfach.
Der treuen Wählerin Endra gibt sie Gelegenheit ihren liebsten Scherz über Trump anzubringen: „Keine Ahnung, warum ausgerechnet der die öffentliche Krankenversorgung kaputt macht: Der braucht sie doch dringend. Schließlich ist er alt, bankrott und hat außerdem einen schweren Dachschaden.“
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