Sie sind im Kern davon überzeugt, dass die USA von weißen Christen für weiße Christen gegründet wurde. Und dass darum das komplette politische und gesellschaftliche Leben einer christlichen Agenda untergeordnet werden müsse; das geht bis zur Kontrolle von Lehrplänen an Schulen, wo liberales Gedankengut durch Bücher-Verbannungen ausgeklammert wird.
Wichtige Wählergruppe
In dieser Wählergruppe, die 2016 maßgeblich zur Wahl Trumps beigetragen hat und im November erneut an seiner Seite zu finden sein wird, ist die Toleranz für andere Glaubensrichtungen überschaubar. Christliche Nationalisten haben sich in der Erzählung eingerichtet, dass ihre gottgegebene Dominanz durch Einwanderung und linke, progressive Gesellschaftskonzepte bedroht ist und daher Notfall mit Gewalt bewahrt werden muss.
Donald Trump gab erst vor wenigen Monaten in Nashville der Bewegung Auftrieb, als er von einem "Feind im Inneren" redete, der Amerika existenziell bedrohe. Um diesen Kampf zu gewinnen, so Trump, "benötigen wir die Hand und die Güte des allmächtigen Gottes".
Für die amerikanische Gesellschaft kann die Liäson zwischen Trump und dem christlichen Nationalismus im Falle eines Wahlsieges des Republikaners im November eine "gefährliche Destabilisierung" mit sich bringen, sagen Gegner in Washingtoner Denkfabriken.
Sie sehen in der Verquickung von Parteipolitik und christliche Fundamentalisten die Gefahr, dass sich "die bestehende Spaltung der Gesellschaft weiter vertieft und das nationale Gespräch noch mehr radikalisiert".
Fundamentalisten in den eigenen Reihen
Ein Beispiel ist Russell Vought, der frühere Budget-Direktor des Weißen Hauses, der in einer etwaigen zweiten Regierung Trumps als Stabschef gehandelt wird, gehört zu den Speerspitzen der Bewegung. Vought bekennt sich offen zu einem landesweiten Abtreibungsverbot, der Aufhebung der höchstrichterlich bestätigten gleichgeschlechtlichen Ehe und massiven Restriktionen bei der Sexualaufklärung und der Geschlechterlehre in den Schulen.
Als Chef des "Center for Renewing America" zeichnet sich Vought in Teilen für eine intellektuelle Blaupause verantwortlich, die Trump im Erfolgsfall ab Januar 2025 umgehend in den Stand setzen soll, Politik im Sinne der christlichen Nationalisten zu betreiben. Zur Not mit Hilfe staatlicher Gewalt: Vought plädiert dafür, dass der Präsident zur Bekämpfung innerer Unruhen die US-Streitkräfte gegen die eigene Bevölkerung einsetzt.
Obwohl Donald Trump privat mit drei Ehen, außerehelichen Affären und jüngsten Verurteilungen wegen sexuellen Missbrauchs laut US-Medien das "Anti-Beispiel eines christlichen Nationalisten abgibt", sehen Vought und viele Wähler und Wählerinnen in ihm einen Verbündeten im Kampf gegen gesellschaftliche Veränderungen, die von links-progressiven Strömungen ausgingen.
Von enormer Bedeutung für Trumps Ansehen unter christlichen Nationalisten, das bestätigt auch Russell Vought, war darum die Installierung von drei erzkonservativen Richterinnen und Richter am Obersten Gerichtshof. Dadurch ist eine konservative 6:3-Mehrheit entstanden.
Christliche Nationalisten versprechen sich davon, dass ihre Überzeugungen und Werte vom höchsten amerikanischen Gericht jederzeit verteidigt werden. Dort hatte zuletzt der umstrittene Richter Clarence Thomas Sympathien für die Abschaffung der Homo-Ehe erkennen lassen.
Trump, ein "von Gott gesandtes Instrument"
Ein anderer wichtiger Aspekt ist Trumps generell pro-israelische Politik, die von vielen christlichen Nationalisten nachhaltig unterstützt wird. Trump ist für diese Wählergruppe die Speerspitze im Kampf gegen die als zu liberal und links empfundenen Eliten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Indem Trump diese Eliten fortwährend bekämpft und sie als Bedrohung für die Zukunft der Vereinigten Staaten brandmarkt, wächst die Bewunderung für ihn als "Kulturkrieger Nr. 1".
Dass Trump hier nie nachgelassen hat, bringt dem Ex-Präsidenten inzwischen religiöse Deutungen ein. So hält ein beträchtlicher Teil der konservativen Wählerschaft Trump für ein von Gott gesandtes Instrument, um auf Erden aufzuräumen.
Kommentare