Wird Trump Wähler verlieren, weil er ein verurteilter Straftäter ist?
Die überwältigende Mehrheit seiner Hardcore-Anhänger, darauf weisen alle Umfragen hin, bleiben bei ihm. Das Motto lautet: Jetzt erst recht. Sie sehen ihr Idol als Opfer einer demokratischen Gesinnungsjustiz, die Trump ausschalten wollte. Ein Indiz: Eine Spenden-Seite im Internet für Trump (WinRed) brach am Donnerstagabend unter dem Ansturm zahlungswilliger Fans vorübergehend zusammen.
Bei gemäßigt konservativen Wählern sieht die Sache anders aus. Drei von zehn Republikanern gaben zuletzt an, dass sie eine Verurteilung ins Grübeln bringen würde. Umfragen, landesweite sowie auf umkämpfte Bundesstaaten wie Wisconsin oder Pennsylvania konzentrierte, haben zutage gefördert, dass teils deutliche Trump-Vorsprünge plötzlich zu Biden-Vorsprüngen werden, wenn Trump bis dahin verurteilt ist.
Ob diese Wähler am 5. November, wirklich bei ihrer Ablehnung bleiben, weiß heute niemand. Andere Faktoren - die Wirtschaft, die US-Verwicklung in Kriege (Ukraine, Gaza), Bidens massive Unbeliebtheit - spielen eine Rolle. Aber die Zahlen illustrieren „eine reale Gefahr“, sagen selbst Insider der Trump-Kampagne. Bei einem erwartet knappen Wahlausgang könnten schon wegbrechende Wähler-Anteile von zwei Prozent für Trump das Aus bedeuten.
Wie hoch ist das Risiko von Gewalt und Vergeltungsaktionen auf republikanischer Seite?
Erheblich. In einschlägigen sozialen Medien wie „Truth Social“ und „Gateway Pundit“ wurde bereits zu Gewalt und Protest aufgerufen. Gipfel der Aussetzer: „Es ist Zeit, ein paar Linke zu erschießen.“ Was in New York geschehen sei, lasse sich „nicht durch Wahlen regeln“. Anhänger des Ex-Präsidenten erklärten, Trump habe eine „Armee“ hinter sich, die bereit sei, „für ihn zu kämpfen und zu sterben“.
Der Ton findet seinen Widerhall bis in höchste Republikaner-Kreise im Kongress. Mike Johnson, Sprecher des Repräsentantenhauses, sprach von einem „düsteren Tag für Amerika“. Sein Kollege Jim Jordan nannte das Urteil eine „Farce“, die auf einen „voreingenommenen Richter“ zurückgehe.
Extremismus-Experten und Polizei-Vertreter sind alarmiert. Wenn Trump Radikale mobilisieren kann, für ihn Rache zu üben, könne es blutig werden, sagte ein Analyst im US-Fernsehen. In New York hat Gouverneurin Kathy Hochul die Sicherheitsvorkehrungen verstärken lassen.
Muss Trump ernsthaft mit Gefängnis rechnen?
Absolut überwiegende Ansicht von Rechts-Experten: Vorläufig nicht. Trump wurde zwar in allen 34 Fällen schuldig gesprochen, wofür im Bundesstaat New York bis zu vier Jahre Haft verhängt werden können. Weil der 77-Jährige nicht vorbestraft ist und keine Gewalttat begangen hat, „ist seine kurzfristige Inhaftierung unwahrscheinlich“, sagte ein Strafrechtler zum KURIER.
Eine Vollstreckung vor Abschluss eines programmierten Berufungsverfahrens, das Monate bis Jahre dauern und vor dem Obersten Gericht in Washington landen kann, trauen nur wenige Beobachter Richter Juan Merchan zu. Er würde sich anfechtbar machen, weil es den republikanischen Präsidentschaftskandidaten de facto aus dem Wahlkampf nehmen würde.
Und was, wenn Richter Merchant doch eine Gefängnisstrafe verhängt?
Zunächst: Selbst ein Gang hinter Gitter würde Trump nicht daran hindern, im Falle eines Wahlsiegs Präsident zu werden. Die Verfassung sieht in einem Häftling kein Hindernis für das Weiße Haus. Weite Teile des neuen republikanischen MAGA-Estabishments wüsste Trump dabei treu an seiner Seite.
So pilgerten zig Top-Konservative in den vergangenen Wochen regelmäßig nach New York, teilweise in der gleichen Krawatten-Farbe wie Trump, um dem Parteiführer seelischen Beistand zu leisten. Ob sie diese Ehrerbietung durchhalten, sollte sich der öffentliche Wind drehen und Trump als verurteilter Verbrecher in den Umfragen absacken, ist offen.
Im Gefängnis würde Trump selbstredend Vorzugsbehandlung zuteil. Er käme in einen abgeschirmten Bereich einer Haftanstalt, seine Personenschützer vom Secret Service wären rund um die Uhr bei ihm. In puncto Ernährung und Betreuung, so sickerte vor Wochen durch, würde Trump „völlig anders behandelt als ein normaler Gefangener“. Formal könnte Trump auch aus dem Gefängnis regieren.
Käme es zu einem Hausarrest, etwa in seinem Privat-Domizil Mar-a-Lago, könnte Trump von dort aus durch tägliche Presse-Konferenzen im Wahlkampf weiter präsent sein. Würde Trump im November gewählt, könnte er sich nicht selbst begnadigen. Der Arm des Präsidenten ist nicht so lang, um ein Urteil gegen sich aus einem Bundesstaat aufzuheben.
Was ist mit den anderen drei Verfahren?
Weitere Verfahren laufen in Georgia und Washington im Zusammenhang mit Versuchen, das Wahlergebnis von 2020 zu kippen. In Florida läuft zudem ein Prozess im Zusammenhang mit dem Umgang mit Geheimdokumenten. Ob sie vor der Wahl abgeschlossen werden, ist unklar.
Der Fall in Georgia wird vor einem Landesgericht verhandelt wie in New York. Die Verfahren in Washington und Florida werden dagegen von Bundesgerichten geführt. Damit könnte Trump bei einem Wahlsieg einen Justizminister ernennen, der sie beenden könnte. Sollte er für schuldig befunden werden, könnte er sich in diesen Fällen möglicherweise selbst begnadigen.
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