Schweigegeldprozess: Trump schuldig gesprochen, Anwalt will berufen

Schweigegeldprozess: Trump schuldig gesprochen, Anwalt will berufen
Das Strafmaß ergeht erst am 11. Juli. Trump sieht sich als politisch Verfolgter. Seine Verteidiger wollen in Berufung gehen.

Als Richter Juan Merchan am Donnerstag gegen 16.30 Uhr Ortszeit im Gerichtssaal im Süden Manhattans eine kurze Notiz darüber verlas, dass die zwölf Geschworenen bereits eineinhalb Prozesstage nach Beginn ihrer internen Beratungen zu einem Ergebnis gekommen sind, verstummte beim diesmal mit einer blauen Krawatte bekleideten Ex-Präsidenten der Vereinigten Staaten das Lachen. 

Donald Trump kreuzte die Arme vor der Brust und tuschelte angestrengt mit einem seiner Anwälte. Dann wartete er mit geschlossenen Augen auf die Entscheidung. Als sie kam, wirkt der 77-Jährige kurz wie benommen. Seine Miene war versteinert. Im Publikum schüttelte sein zweitältester Sohn Eric den Kopf. Denn gerade war Geschichte geschrieben worden

Strafmaß kommt am 11. Juli: Haft oder Geldstrafe

Nach nur knapp zwölf Stunden Beratungszeit hatte die Jury im Schweigegeld-Prozess gegen Donald Trump um den Porno-Star Stormy Daniels ein historisches Urteil gefällt. Der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und bislang aussichtsreichster Aspirant auf die Kandidatur für die Wahl im kommenden November ist in allen 34 Anklagepunkten einstimmig für schuldig erklärt worden.

Das Strafmaß wird am 11. Juli verkündet, vier Tage vor dem Parteikongress der Republikaner in Milwaukee, auf dem Trump offiziell als Präsidentschaftskandidat ausgerufen werden soll. Ob Trump eine Gefängnisstrafe erhält, ist offen. Seine Verteidiger kündigten Berufung an.

Auf illegale Weise Wähler getäuscht

Trump hat laut Jury - wie die Anklage im Schluss-Plädoyer über fünf Stunden detailliert ausgeführt hatte - Geschäftsunterlagen getürkt oder türken lassen, um eine vor der Präsidentschaftswahl 2016 geleistete Schweigegeldzahlung über 130 000 Dollar an die Erotik-Darstellerin Stormy Daniels zu verschleiern. Dadurch hat er aus Sicht der Anklage auf illegale Weise die Wähler getäuscht und sich doppelt strafbar gemacht.

Die bürgerlich Stephanie Clifford heißende Frau hatte 2006 mit Trump eine Affäre gehabt (die Trump bestreitet) und war vor acht Jahren gewillt, dies öffentlich zu machen. Trump, so ergaben über 20 Zeugen-Vernehmungen, hatte ernsthaft Angst, dass dies seine Wahlchancen gegen die Demokratin Hillary Clinton zunichte machen könnte. Darum ließ er über seinen damaligen Privatanwalt Michael Cohen die „hush money”-Aktion einstielen und abwickeln.

Nachdem alle 34 Anklagepunkte abgehakt und ausnahmslos negativ für Trump beschieden worden waren, bestätigten die zwölf Geschworenen einzeln ihr Votum. Chefverteidiger Todd Blanche verlangte danach sofort die Streichung des Schuldspruchs. Juan Merchan verwarf den Antrag sofort.

Für Trump ist Urteil "Schande"

Trump selber nannte das Urteil eine „Schande”. Er sprach erneut von einem „gezinkten Prozess” und einem „korrupten Richter” und bezeichnete sich als “politischer Gefangener”. Das Ziel der Demokraten sei es, ihm die Wiederwahl im November zu verbauen. Aber diese Geschichte sei „noch lange nicht vorbei”. Trump im O-Ton: „Das wahre Urteil kommt am 5. November durch das Volk.”

Auf der Basis der von vielen Rechtsexperten so klar und so schnell nicht erwarteten Entscheidung, die historisch ist - noch nie wurde in der Geschichte Amerikas ein Ex-Präsident strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen und für schuldig erklärt - ist evident, dass die Strategie von Trumps Anwälten um Chef-Verteidiger Todd Blanche komplett gescheitert ist.

Die aus fünf Frauen und sieben Männern bestehende Jury, darunter mindestens zwei Juristen, deren Identität bisher sorgfältig geheim gehalten wurde, schenkten dem Versuch, die Beweiserhebung der Staatsanwaltschaft zu diskreditieren („Es gibt keinen Fall, der Präsident hat kein Verbrechen begangen”) offensichtlich keinen Glauben. Damit widerfährt auch dem massiv kritisierten Kronzeugen Michael Cohen, der einst für Trump die Drecksarbeit gemacht hat und sich über die Causa Stormy Daniels mit ihm entzweite, Genugtuung, obwohl er mehrfach der Lüge überführt worden war.

„Niemand steht über dem Gesetz”

Die Wahl-Kampagne von Präsident Joe Biden äußerte sich zurückhaltend zum Urteil. „Niemand steht über dem Gesetz”, sagt ein Sprecher, erinnerte dabei daran, dass der einzige Weg, Donald Trump vom Oval Office fernzuhalten, im November über die Wahlurne führe. Denn: „Verurteilter Straftäter oder nicht - Trump wird der Kandidat der Republikaner sein.”

Inhaftierung unwahrscheinlich, kann trotzdem kandidieren

Weil Trump nicht vorbestraft ist und keine Gewalttat begangen hat, ist seine Inhaftierung unwahrscheinlich, sagen Justiz-Insider in New York. Nach der Verurteilung haben die Anwälte des Präsidenten bis zu sechs Monate Zeit, um offiziell in Berufung zu gehen. Bis dieser Einspruch endgültig bearbeitet ist, möglicherweise vom Obersten Gericht in Washington, können Monate bis Jahre vergehen. Ob Merchan vorher trotzdem vorher auf Umsetzung der Strafe setzt, und sei es in einer Mischform aus Hausarrest und Bewährung, ist offen.

Klar aber ist: Selbst ein Gang hinter Gitter würde Trump nicht daran hindern, sich am 5. November für das höchste Staatsamt zur Wahl zu stellen. Die US-Verfassung sieht in einem Verbrecher kein Hindernis für das Weiße Haus. Weite Teile des neuen republikanischen Maga-Establishments wüsste Trump dabei an seiner Seite. Wie andere nach Lourdes, so pilgerten zig Top-Konservative wie der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, in den vergangenen Wochen nach New York, teilweise in der gleichen Krawatten-Farbe wie Trump, um dem Parteiführer seelischen Beistand zu leisten. Ob sie diese Ehrerbietung durchhalten, sollte sich der öffentliche Wind drehen und Trump als verurteilter Krimineller in den Umfragen absacken, ist offen.

Urteil könnte Auswirkungen an Wahlurne haben

Trumps Basis und viele Millionen Amerikaner darüber hinaus glauben, dass Trump das Opfer einer feindseligen Justiz geworden ist. Das könnte ihm Sympathien an der Wahlurne einbringen, meinen Wahlkampf-Experten. Auf der anderen Seite sagen rund 20 % der republikanischen Wähler in Umfragen, dass sie Trump nicht mehr im Weißen Haus sehen wollen, falls er von einer Jury aus der Mitte des Volkes strafrechtlich schuldig gesprochen wird. Das ist nun geschehen.

Über die politischen Konsequenzen für Trump, so Analysten in US-Medien, wird besser zu urteilen sein, wenn der Prozessausgang ins allgemeine Bewusstsein eingesickert ist. Bislang gaben über 55 % an, das Verfahren gar nicht oder kaum verfolgt zu haben. Ähnlich hoch sind die Werte derer, die sagen, das ein Urteil ihre Wahlentscheidung für oder gegen Trump nicht beeinflussen wird. Angesichts des leichten Umfragen-Vorsprungs, den Trump in mutmaßlich entscheidenden Bundesstaaten gegenüber Amtsinhaber Joe Biden hält, war bisher nicht festzustellen, dass Trump der Prozess nennenswert geschadet hat. Ob das so bleibt, jetzt, wo er schuldig gesprochen ist, bleibt abzuwarten.

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