Rund zweieinhalb Jahre nach der Hinrichtung des Washington Post-Kolumnisten Khashoggi soll am Donnerstag ein von der Vorgänger-Regierung trotz richterlicher Anweisung und parlamentarischer Beschlüsse unter der Decke gehaltener Bericht der US-Geheimdienste veröffentlicht werden, der eine Kern-Botschaft beglaubigt: „MbS“ hat die Exekution des Regime-Kritikers persönlich angeordnet.
Im Vorfeld der Veröffentlichung wollte Biden laut Nachrichtenportal Axios mit dem siechen Herrscher in Riad, König Salman, telefonieren. Der 85-Jährige sei Bidens „Ansprechpartner“, sagte Regierungssprecherin Psaki – ein subtiler Affront gegen den jungen De-facto-Herrscher in Riad, der sich zu Trumps Zeiten bester Kontakte in Washington erfreute. Besonders der Draht zwischen dem Kronprinzen und Trumps Schwiegersohn-Berater Jared Kushner war eng.
Beziehungen "nachhaltig abkühlen"
Mit Biden zieht eine neue Tonlage gegenüber dem Königreich ein, wie bereits die strategische Wende der USA im Jemen-Krieg zeigte. Die Aufarbeitung des Khashoggi-Mordes könnte das Verhältnis zur Wüsten-Monarchie, die zu den größten Abnehmern von US-Rüstungsgütern gehört, „nachhaltig abkühlen“, sagen Experten im Außenministerium. Denn Biden spricht Klartext: „Khashoggi wurde ermordet und zerstückelt auf Anweisung des Kronprinzen“, hatte der Demokrat bereits im Wahlkampf 2020 konstatiert, „wir werden sie (Saudi-Arabien) dafür bezahlen lassen und sie zu den Parias machen, die sie sind.“
Mit seiner Bewertung steht der Präsident zu dem, was der Auslandsgeheimdienst CIA bereits sechs Wochen nach der Tat durchsickern ließ und was weltweit Entsetzen ausgelöst hatte: Der Kronprinz hat das tödliche Attentat angeordnet. „MbS“ weist das bis heute zurück. Trump machte sich dessen Argumentation aber zu eigen. Er tat bis Amtsabtritt alles, damit die CIA-Expertise, die sich mit dem deckt, was UN-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard herausgefunden hatte, nicht ans Licht kam.
Rückblick: Am 2. Oktober 2018 wollte Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul nach Termin-Absprache Dokumente für die geplante Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten Hatice Cengiz abholen. Der damals 59-Jährige, der bis dahin in der Nähe von Washington lebte, wurde von einem kurz zuvor aus Saudi-Arabien angereisten 15-köpfigen Killerkommando erwartet. Der türkische Geheimdienst hörte durch installierte Wanzen mit, als die Mörder Khashoggi als „Opfertier“ bezeichneten, das geschlachtet werden müsse. Die Killer betäubten ihn und hielten ihm Mund und Nase zu. „Ich habe Asthma, macht das nicht, ihr erstickt mich“ , sagte Khashoggi noch. Von den türkischen Audio-Mitschnitten konnte sich die damalige CIA-Chefin Gina Haspel überzeugen.
Laut Türkei zersägte ein aus Riad angereister Forensiker die Leiche. Wo die sterblichen Überresten Khashoggis sind, ist bis heute ungeklärt. Bevor das saudische Kommando unbehelligt in die Heimat ausgeflogen wurde, schickte man einen Doppelgänger Khashoggis auf die Straße. Damit sollte der Eindruck erweckt werden, der Regime-Gegner habe die diplomatische Vertretung lebend verlassen. Vor dem Gebäude wartete jedoch Khashoggis Verlobte. Sie alarmierte die türkische Regierung. Tagelang verstrickten sich die saudischen Behörden in Ausflüchte. Bis man schließlich zugab, dass Khashoggi im Konsulat getötet worden war.
Monate später wurden ein Dutzend mutmaßlicher Tatbeteiligter in Saudi-Arabien in einem Geheimverfahren vor Gericht gestellt und teilweise zum Tode verurteilt. Das Königreich blieb, bis zuletzt durch die Trump-Regierung bestärkt, bei der Darstellung, dass Kronprinz Mohammed bin Salman von der Ermordung Khashoggis nichts wusste. Die Regierung Biden will Saudi-Arabien dagegen zur Verantwortung ziehen.
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