US-Wahlkampf am Balkan: Was will Trump im Kosovo?
Die USA haben entscheidende Bedeutung für den Kosovo. Man erkennt das an Flaggen, an Besuchen, an einem präsenten US-Botschafter und an Huldigungen wie einem Bill-Clinton-Boulevard und einer Madeleine Albright-Büste.
Ohne die USA gäbe es den Kosovo nicht. Der von den USA maßgeblich mitgetragene NATO-Angriff auf Serbien 1999 zur Rettung des Kosovo ist bis heute ein riesiges Thema in der Region. Doch welchen Einfluss die USA immer noch auf den – mittlerweile von Serbien unabhängigen und von mehr als 110 Staaten anerkannten – Kosovo haben, machten nicht zuletzt die vergangenen Wochen deutlich.
Dorn im Auge
Im Oktober war Albin Kurti als Wahlsieger aus der Parlamentswahl hervorgegangen. Seine Partei Vetëvendosje hatte in den Jahren zuvor für Hoffnung (vor allem bei Jungen) und Sorgen (bei der politischen Elite) gesorgt, weil sie – eigentlich als linke, nationalistische Bewegung – gegen das System, gegen Korruption und für Selbstbestimmung (albanisch: vetëvendosje) eingetreten ist.
Nun hatte sie die Wahlen denkbar knapp vor der liberalkonservativen LDK und der Mitte-Rechts Partei PDK von Präsident Hashim Thaçi gewonnen, nach langen Regierungsverhandlungen ein Koalitionsabkommen mit der LDK unterzeichnet.
Doch nach 52 Tagen, nach einem Misstrauensvotum am 26. März, war sie wieder Geschichte – offiziell wegen ihres Umgangs mit der Corona-Krise.
„Putsch“
Doch dahinter steckte etwas anderes. Albin Kurti nannte es gar einen „koordinierten Putschversuch“, er beschuldigte in einer viel beachteten internationalen Pressekonferenz vergangenen Montag die USA, Serbien und Präsident Thaçi, sich gegen ihn verschworen zu haben.
Blanker Verfolgungswahn? Wohl nicht. Mehrere politische Beobachter gehen davon aus, dass Kurti als Premierminister der US-Regierung ein Dorn im Auge war und daher aus dem politischen Weg geschafft werden musste.
Dazu muss man die Rolle von Richard Grenell kennen. Der US-Sondergesandte für den Dialog zwischen Serbien und Kosovo ist ein enger Vertrauter von Donald Trump – der im November wiedergewählt werden will. Dazu braucht er dringend einen außenpolitischen Erfolg in seinem Dossier.
Trump, der Macher, der „Dealmaker“, hat nämlich nichts vorzuweisen: Der als „Deal des Jahrhunderts“ angekündigte Nahostplan, seines Schwiegersohns Jared Kushner entpuppte sich wenig überraschend als Blindgänger. Die Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un blieben kaum mehr als Foto-Ops, und die Rückkehr der US-Truppen hatte sich Amerika wohl auch anders vorgestellt.
Da kam Grenell ins Spiel. „Er hat die Lösung des Serbien-Kosovo-Konflikts dem US-Präsidenten wohl als tief hängende Frucht verkauft“, sagt Jasmin Mujanović, Politologe und penibler Beobachter der Region. Ein Plan liege auf dem Tisch, denn einen (auch in der EU) umstrittenen Gebietstausch zwischen Kosovo und Serbien haben die beiden Präsidenten Thaçi und Aleksandar Vučić offenbar nie abgeschrieben.
Erziele man jetzt eine Einigung, so Mujanović, habe Trump ein außenpolitisches Ass gegen den Demokraten Joe Biden im Ärmel, der stark mit Außenpolitik, insbesondere am Balkan, identifiziert werde.
Doch Kurti, der den Dialog mit Serbien hinter dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, für Bildung und gegen Korruption angereiht hat und Spinnefeind mit Thaçi ist, passte nicht in den Plan.
Die Einmischung der USA ist nichts Neues“, sagt Südosteuropa-Experte Florian Bieber von der Uni Graz, „außer, dass es so offen gegen eine aktive und durchaus beliebte Regierung geht.“ Grenell habe sich auf die Seite Thaçis gestellt und den Koalitionspartner genügend unter Druck gesetzt, um ein Misstrauensvotum zu bewirken.
Und jetzt?
Präsident Thaçi wird voraussichtlich Vizepremier Avdullah Hoti (LDK) mit der Regierungsbildung beauftragen. Falls es zu einer Koalition kommt, dann wohl zu einer äußerst breiten und fragilen – wohl ohne die Vetëvendosje Kurtis – wie Bieber vermutet.
Die neuerliche politische Krise ist fatal für das Land, das ohnehin mit vielen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und in der Corona-Krise natürlich auch gesundheitlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Zudem ist der gewünschte "Erfolg", den Washington hier anstrebt, nämlich noch vor der US-Wahl eine Einigung mit Serbien zu erzielen, äußerst unsicher.
Die Sonderberichterstatterin des EU-Parlaments fand scharfe Worte auf Twitter: "Warum stürzt der Präsident sein Land in die Gefahr?"
"Es ist ein unglückliches Merkmal der gegenwärtigen Umstände im Kosovo, dass politische Spaltungen die Aufmerksamkeit vieler Staats- und Regierungschefs von der Gesundheitskrise abgelenkt haben", sagte der UN-Sondergesandte Zahir Tanin am Freitag. "Ich fordere die politischen Führer auf, persönliche und politische Agenden beiseite zu legen."
Mehrere Staaten haben sich unterdessen gegen den Sturz der kosovarischen Regierung gestellt, darunter Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die Schweiz. Österreich war bis zum Wochenende nicht darunter.
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