370 US-Ökonomen gegen "Demagogen" Trump
In einem offenen Brief haben 370 Wirtschaftswissenschaftler US-amerikanischer Hochschulen, darunter acht Nobelpreisträger, den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump als "gefährliche und destruktive Wahl für unser Land" bezeichnet.
Indem der exzentrische Immobilien-Tycoon Verschwörungstheorien in der Bevölkerung säe, zerstöre er das Vertrauen in öffentliche Institutionen und leite die Wählerschaft fehl. Falls Trump gewählt werde, sei das Funktionieren demokratischer und wirtschaftlicher Institutionen – und damit das Wohlergehen des Landes – in Gefahr.
"Wir empfehlen den Wählern, sich für einen anderen Kandidaten zu entscheiden", heißt es im Brief. Wen, sagen die Ökonomen allerdings nicht - nicht einmal Trumps Rivalin Hillary Clinton wird im Schreiben erwähnt.
Kritikpunkte der Ökonomen
In dreizehn Punkten wird konkret begründet, warum der Republikaner als Präsident der Vereinigten Staaten ungeeignet ist.
- "Indem er falsche Informationen über die Integrität von Institutionen verbreitet, fördert Trump das Misstrauen gegenüber Behörden, die wichtige Daten über die Wirtschaft sammeln und aufbereiten – wie das US Bureau of Labor Statistics."
- "Er täuscht die Wählerschaft in US-Staaten wie Ohio und Michigan, wenn er behauptet, dass die Neuverhandlung des Nafta-Freihandelsabkommens oder das Verhängen von Zöllen gegen China die Industriebeschäftigung zurückbringen werde." Grund für den bereits seit den Siebzigerjahren rückläufigen Anteil der Industrie an der Gesamtbeschäftigung ist laut den Ökonomen vor allem die Automatisierung, nicht der Außenhandel.
- Trump stelle sich als Retter der Industriearbeiter dar, habe aber keinen Plan, wie man diese Menschen für gutbezahlte Stellen im Dienstleistungssektor qualifizieren könne.
- Die Behauptung, die US-Industrieleistung sei zurückgegangen, sei falsch. "Die Standorte und Produkte der Industrie haben sich geändert, aber die Leistung hat sich seit den Achtzigerjahren mehr als verdoppelt."
- Ebenso falsch sei die von Trump verbreitete Vorstellung, dass der Außenhandel ein Nullsummenspiel sei und dass Handelsdefizite allein von der Härte und vom Geschick der Verhandler von Handelsverträgen abhingen.
- "Er hat die Wählerschaft mit Aussagen, dass Handelsabkommen das Einkommen und den Reichtum der USA erodierten, in die Irre geführt." Die Wirtschaftswissenschaftler sagen, dass sowohl mittlere Einkommen wie Vermögen seit den Achtzigern stark gestiegen sind. Dass die Gewinne aus dem Freihandel nicht allen gleichmäßig zugutegekommen seien, verdiene allerdings eine ernsthafte Diskussion.
- Mit dem Vorschlag, zum Zweck des Haushaltsdefizitabbaus die US-Umweltbehörde EPA oder das Bildungsministerium abzuschaffen, verhindere Trump einen ernsthaften Dialog über die öffentlichen Finanzen. Eine glaubwürdige Lösung zur Stabilisierung des Staatshaushalts muss laut dem Brief mehr Steuereinnahmen umfassen und/oder Leistungskürzungen bei den Sozialversicherungen sowie der Landesverteidigung.
- "Er behauptet, das Defizit eliminieren zu wollen, hat aber Reformen vorgeschlagen, die die Steuereinnahmen über die kommenden zehn Jahre um 2,6 bis 5,9 Billionen Dollar reduzieren werden."
- "Er behauptet, das Handelsdefizit eliminieren zu wollen, hat aber Reduzierungen der staatlichen Ersparnis vorgeschlagen, die steigen werden."
- Trump bediene sich des Themas Einwanderung, um Wähler zu täuschen über wichtige wirtschaftliche Sachverhalte wie die stagnierenden Löhne von Haushalten mit geringen Qualifikationen. Für die Stagnation dieser Löhne seien viele Faktoren verantwortlich, wobei die Zuwanderung eine bescheidene Rolle zu spielen scheine. "Statt über die maßgebenden Ursachen wie die Automatisierung zu sprechen, werden von Trump unproduktive Optionen erörtert", heißt es im Brief
- "Er hat die Wählerschaft in die Irre geführt, indem er behauptet hat, dass die USA ein Hochsteuerland seien." Während der gesetzliche Unternehmenssteuersatz tatsächlich hoch sei, sei die effektive Besteuerung der Firmen im Durchschnitt weit geringer. Zudem seien die Einkommens- und Konsumsteuern relativ niedrig. Insgesamt hätten die USA eine der niedrigsten Steuerquoten unter den OECD-Ländern.
- "Seine Aussagen offenbaren ein mangelndes Verständnis für grundlegende ökonomische Zusammenhänge und eine Unfähigkeit, glaubwürdigen Experten Gehör zu schenken."
- Trump säe "Wunschdenken" und Verschwörungstheorien.
"Empörung gegen Demagogen"
Zu den Unterzeichnern des offenen Briefs gehören unter anderem Angus Deaton von der Princeton University, der im vergangenen Jahr den Wirtschaftsnobelpreis gewonnen hat, sowie der diesjährige Gewinner Oliver Hart von der Harvard University. Paul Romer, Chefökonom der Weltbank und Kenneth Arrow, Nopelpreisträger aus dem Jahr 1972.
Robert Shiller, Wirtschaftswissenschaftler an der Yale University und ebenfalls Nobelpreisträger (2013), erklärte dem Wall Street Journal, dass er sich für gewöhnlich nie in die Politik einmischt, aber bei Trump mache er eine Ausnahme. "Es ist nicht Demokrat gegen Republikaner. Es ist keine normale politische Aussage. Es ist ein Gefühl von Empörung gegen Demagogen."
Aber auch gegen Clinton gab es bereits einen Brief von namhaften US-Ökonomen. Die 305 Unterzeichner schrieben, dass die Präsidentschaftskandidaten der Demokraten mit ihrer "nicht mehr zeitgemäßen Wirtschaftspolitik" das Wachstum nicht beschleunigen werde - wie eben verspochen. Auch damals wurde keine Wahlempfehlung ausgeprochen.
Kommentare