Kamala Harris, als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten wirklich fix?
Die Zahl übersetzt sich in rund 3900 Delegierten-Stimmen für den Nominierungs-Parteitag der Demokraten, der am 19. August in Chicago startet; knapp 2000 hätten dem Amtsinhaber gereicht.
All das ist Nebensache, seit US-Präsident Joe Biden im Licht einer desaströsen Vorstellung im TV-Duell mit Herausforderer Donald Trump am vergangenen Sonntag dem überwältigenden Druck aus den eigenen Reihen nachgegeben und seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit aus Altersgründen zurückgezogen hat.
Knapp 100 Tage vor den Präsidentschaftswahlen sind die Demokraten darum gezwungen, im Eiltempo einen Ersatz aufzubieten, möglichst unbeschädigt durch den Parteitag zu navigieren, um danach in einer Blitz-Kampagne Anlauf auf den Wahltag am 5. November zu nehmen.
48 Stunden nach dem in dieser Form historisch einmaligen Schritt, den Biden bald in einer Rede an die Nation erläutern will, läuft der auf der Überholspur laufende Nominierungsprozess klar auf Biden Vize-Präsidentin Kamala Harris zu. Bereits in der Nacht zu Dienstag konnte Harris mündlich die nötigen knapp 2000 Delegiertenstimmen, die durch Bidens Rückzug „frei” geworden sind, auf sich vereinen, heißt es aus ihrem Umfeld. Diverse US-Medien berichteten, das Rennen um die Kandidatur sei bis auf die formale Bestätigung auf dem Parteitag „gelaufen".
Gelten Bidens Stimmen auch für Harris?
Biden hatte die 59-Jährige bereits am Sonntag auf den Schuld gehoben und klar gemacht, dass er „seinen” Delegierten empfehlen wird, für die ehemalige Generalstaatsanwältin aus Kalifornien zu stimmen. Begründung: Sie sei bestens für die Aufgabe gerüstet.
Biden kann niemanden zwingen. Aber in seinem Lager herrscht die Meinung vor, dass die 14 Millionen Vorwahl-Wähler das gesamte Ticket (Biden und Harris) abgesegnet haben, nachdem der Präsident bereits im vergangenen Jahr eindeutig klargestellt hatte, dass er wie 2020 erneut mit Harris ins Rennen gehen wird.
Die Chef der 50 Delegationen aus allen Bundesstaaten, die in Chicago anwesend sein werden, haben diese Einschätzung bereits bestätigt. Etliche Delegationen erklärten sich am Montagabend in Telefonkonferenzen pro Harris.
Obama für „Mini-Vorwahlen"
Um der unter außerordentlichen Rahmenbedingungen stattfindenden Nach-Nominierung zusätzliche demokratische Legitimität zu verleihen und den Eindruck zu vermeiden, Harris bekäme die Bewerbung für das Weiße Haus quasi auf dem Silbertablett serviert, kursierte seit Wochen eine andere Idee: Im Eiltempo sollte eine Art „Mini-Vorwahl" durchgeführt werden, bei der sich fünf, sechs Kandidaten/-innen inklusive Harris landesweit vorstellen (durch Townhalls und/oder Debatten im Fernsehen). Wer aus dieser Selektion als Sieger hervorgeht, sollte sich dann in Chicago dem abschließenden Votum des Parteitages stellen.
Diesem Plan soll bis zuletzt auch Alt-Präsident Barack Obama verpflichtet gewesen sein, der als einer der wenigen Top-Demokraten Kamala Harris bisher nicht öffentlich unterstützt hat.
Allein, die „Mini-Primaries” werden nach Lage der Dinge mangels Interesse ausfallen. Sämtliche Persönlichkeiten, denen in US-Medien teilweise seit vielen Monaten Ambition und Befähigung für die Präsidentschaftskandidatur attestiert wurden, haben schon am Montag abgewunken und sich eindeutig hinter Harris versammelt.
Als da wären: die Gouverneure von Michigan (Gretchen Whitmer), Kalifornien (Gavin Newsom), Pennsylvania (Josh Shapiro), Maryland (Wes Moore), North Carolina (Roy Cooper) und Illinois (J.B. Pritzker).
In inhaltlich gleichlautenden Lobeshymnen erklärten die Spitzen-Politiker, dass Kamala Harris am besten geeignet sei, im Herbst Donald Trump in die Schranken zu weisen. Sie versicherten ihr Hilfe im Wahlkampf zu leisten.
Weil parallel inzwischen auch weit über 200 demokratische Abgeordnete des Repräsentantenhauses und des Senats ein klares „Ja” zu der Tochter jamaikanisch-indischer Einwanderer abgegeben haben und niemand von Rang bisher sein Veto angekündigt hat, gehen demokratische Parteikreise davon aus, dass Harris bereits Anfang August per virtueller Abstimmung offiziell gewählt und danach in Chicago formell bestätigt wird.
Partei-Granden unterstützen Harris
Bei dieser Einschätzung spielt eine Rolle, dass neben Partei-Granden wie Bill und Hillary Clinton jetzt auch die frühere Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, ein unmissverständliches Bekenntnis zu Harris abgegeben hat. „Mit großem Stolz und grenzenlosem Optimismus für die Zukunft unseres Landes unterstütze ich heute die Kandidatur von Vizepräsidentin Kamala Harris für das Amt der Präsidentin der Vereinigten Staaten", erklärte Pelosi auf der Plattform X. „Meine begeisterte Unterstützung für Kamala Harris als Präsidentin ist offiziell, persönlich und politisch.”
Mit der Intervention von Pelosi, vielleicht die einflussreichste und erfahrenste Netzwerkerin der Partei, so sagen Demokraten in Washington, sei es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch Barack Obama einreiht, um die frühere Senatorin Harris nach Kräften zu unterstützen.
Über 80 Millionen Dollar Spenden in 24 Stunden
Einmal nominiert, hätte Harris Zugriff auf die Wahlkampf-Kasse Bidens, die noch circa 100 Millionen Dollar schwer ist. Sie selbst nahm seit Sonntagnachmittag binnen 24 Stunden über 80 Millionen Dollar an Einzel-Spenden ein; ein Rekord in US-Wahlkämpfen. Reiche Geldgeber, die bis zuletzt ihre Zuwendungen wg. Bidens Zögern auf Eis gelegt hatten, haben darüber hinaus 150 Millionen Dollar zugesagt.
Damit wäre der Weg geebnet, um in Chicago eine „offene convention” mit Kampfabstimmungs-Charakter und politischen Verletzungen zu vermeiden. Das Ziel, aus dem Parteitag mit dem Bild der Geschlossenheit in die heiße Wahlkampfphase im September und Oktober zu gehen, sei von „überragender Bedeutung”, sagen Parteikader in Washington. Eine Partei in Selbstzerfleischung werde niemand wählen.
Dabei ist zur Stunde noch nicht absehbar, ob Harris' Chancen gegen Trump entschieden besser sein werden als die von Biden gewesen wären. In einigen Umfragen liegt Harris hinter Trump, in anderen nahezu gleichauf, in andere hinter ihm.
Bis Wochenende soll Vize-Kandidat feststehen
Von großer Bedeutung wird sein, wen Harris als Vize-Präsidentschaftskandidatin beruft. Um die weiße Arbeiterschicht in Bundesstaaten wie Kentucky, North Carolina und Pennsylvania für sich zu gewinnen, kämen deren Gouverneure Andy Beshear, Roy Cooper und Josh Shapiro in Betracht. Harris lässt potenzielle Kandidaten gerade von der Kanzlei des früheren Justizministers von Barack Obama, Eric Holder, auf Herz und Nieren prüfen. Es wird erwartet, dass bis zum Wochenende der Name bekannt wird.
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