2019 gab sie auf
Harris war zunächst Hoffnung pur. Als Senatorin sorgte sie beim Anhörungsverfahren von Brett Kavanaugh für den Supreme Court mit messerscharfen Verhör-Fragen dafür, dass sich der Jurist mit den rosigen Bäckchen fast in die Hose gemacht hätte.
Als Harris 2020 selber Präsidentin (neben Biden und anderen) werden wollte, kamen 20.000 beseelte Anhänger zu ihrer Auftakt-Kundgebung nach Oakland. Ab da ging es nur noch bergab. Man wusste nie genau, was ihr wirklich wichtig ist - und warum. Im Dezember 2019 gab sie kleinlaut auf.
Dass Joe Biden sie trotz bitterer Attacken 2020 zu seiner Vize-Kandidatin machte, fußte auch auf Wahl-Arithmetik.
Harris bot durch ihre Biografie als Tochter einer indischen Mutter und eines jamaikanischen Vaters für relevante Wählergruppen (Schwarze, Frauen, Jung-Wähler) eine hervorragende Yes-we-can-Projektionsfläche.
Schwierige Aufgaben, trotzdem im Schatten Bidens
Von dieser Euphorie war am Ende des ersten Amtsjahres von Joe Biden aber kaum mehr etwas übrig. Harris fremdelte mit ihrer Rolle, die strukturell undankbar ist: Als „Veep” hat man im Schatten der Nr. 1 zu verharren. Trotzdem sind Aufgaben zur erledigen, die schwierig bis unlösbar sind und selten Applaus versprechen.
Etwa das leidige Thema der illegalen Einwanderung. Samt der Ursachen von Armut und Gewalt in Mittel- und Latein-Amerika. Kamala Harris konnte hier trotz viel Engagement nie wirklich gewinnen. Aber wie sie verlor, auch durch teilweise zickige TV-Interviews mit Lachern an der falschen Stelle, hat man ihr im Biden-Umfeld lange übel genommen.
Lange schlechte Beliebtheitswerte
In dieser Zeit bildete sich mit kräftiger Nachhilfe vieler Medien das Image einer Überschätzten heraus. Einer Pannen-Queen und leicht reizbaren Durchschnitts-Politikerin, die im Zweifel die Fehler bei ihrem Stab oder bösen Journalisten sucht.
So erklären sich prekäre Beliebtheitswerte, die bis zum TV-Duell Joe - Donald, noch unter denen von Biden dümpelten: um die 35 %. Die Moserei über Harris war noch Ende 2023 so groß, dass man bei den Demokraten von einer Bürde sprach und Joe Biden aufforderte, seine „running mate” rechtzeitig vor Jahreswechsel austauschen.
Was Biden erwartungsgemäß ablehnte, weil es ihm nennenswerte Teile der weiblichen, schwarzen, demokratischen und parteiunabhängigen Wählerschaft links der Mitte übel genommen hätten. Und weil er die Frau an seiner Seite für entschieden stärker hält als viele andere.
Harris-Bashing ist vorbei
Diese Phase des Harris-Bashings ist lange vorbei. Biden ließ seine Stellvertreterin zuletzt immer häufiger glänzen - und sie strahlte. Bei wichtigen Reden, etwa auf der Münchner Sicherheitskonferenz, kanzelte sie Wladimir Putin als Kriegsverbrecher ab.
Nach der Entscheidung des Obersten Gerichts kontra Abtreibung wurde ihre feminin-kämpferische Rhetorik zum Markenzeichen der Biden-Regierung, die beim Thema Schwangerschaftsabbruch anders als Trumps Republikaner die Mehrheitsmeinung der Amerikaner treffen: „Der Staat soll Frauen nicht vorschreiben, was sie mit ihrem Körper machen dürfen.”
Auch bei geopolitischen Groß-Themen (Ukraine/Israel) durfte Harris Profil zeigen. Inzwischen hat sie mit knapp 150 Staats- und Regierungschefs, Außenministern und anderweitigen Kabinettsmitgliedern konferiert und darf nach dreieinhalb Jahre an der Seite Bidens unbelächelt von sich sagen: „Jeder, der mich bei der Arbeit sieht, ist sich meiner Führungsqualitäten voll bewusst.“
"Ich werde Trump besiegen"
Tim Ryan, Ex-Abgeordneter aus Ohio und ehedem kurzzeitig Präsidentschaftskandidat, ist der Überzeugung, dass Harris die Ermattung im Wahlvolk gerade bei jungen Wählern, Frauen, Afro-Amerikanern und Parteiunabhängigen aufbrechen wird.
Und: Anders als Biden sei sie in der Lage, Trump in offener Debatte rhetorisch an die Wand zu spielen. Letzterer spielt die Gefahr herunter, nennt seine potenzielle Konkurrentin mit sexistisch-rassistischem Unterton „erbärmlich" und „verrückt". Harris kontert kühl: „Ich werde Donald Trump besiegen."
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