Viele Schicksalsschläge
„Wenn man dich zu Boden schlägt, musste du wieder aufstehn“, lautet Bidens Leitspruch. Die vielen Schicksalsschläge durch sein Leben boten ausreichend Gelegenheit dafür. Noch nicht einmal 30 Jahre alt, und kurz vor seinem ersten beruflichen politischen Höhepunkt, rammt ein LKW das Auto seiner Familie. Darin starben sei Frau und seine einjährige Tochter, seine beiden Söhne Hunter und Beau wurden schwer verletzt.
Oft habe er während dieser Zeit an Selbstmord gedacht, schilderte er später. Doch den Beschluss, den Senatssitz in Delaware anzunehmen, fasste der junge Witwer noch am Krankenbett seiner Söhne. Mehr als 30 Jahre lang bleibt Biden daraufhin im US-Kongress, wird immer einflussreicher, kämpft sich allmählich in die höheren Ränge der Demokratischen Partei, findet neues Glück mit seiner zweiten Frau Jill.
Mehrmals versucht er, sich als Präsidentschaftskandidat zu positionieren, scheitert aber immer wieder, zuletzt 2016, als ihm signalisiert wird: Hillary Clinton sei die eindeutig bessere Kandidatin, die den damaligen Außenseiter-Gegner Donald Trump locker schlagen könne. Kurz zuvor war zudem sein Sohn Beau an einem Gehirntumor gestorben – ein Schlag, der den begeisterten Familienmenschen ins Mark erschüttert.
Als Vize-Präsident von Barack Obama gewann Biden neu an politischer Statur, konnte erstmals seine große politische Erfahrung und seine eigentliche Stärke ausspielen: Das Kompromisse schmieden, das Brücken bauen zu den Republikanern, das Deals Aushandeln.
Damit aber ist es seit der Ära Trump vorbei. An der kompromisslosen Haltung der Hardcore-Republikaner, die sich nunmehr wie eine Mauer hinter dem Ex-Präsidenten scharen, zerschellen alle Annäherungsversuche. Nur mit allergrößter Mühe konnte Biden die nötigen Hilfsmilliarden für die Ukraine loseisen, ohne die Kiew den Krieg gegen Russland sofort verlieren würde.
Fehleinschätzungen
Joe Biden, von dem seine Mitarbeiter sagen, es sei „unmöglich, ihn nicht gern zu haben“, gilt als bodenständig und selbstironisch. Doch vor Fehleinschätzungen ist auch er nicht gefeit – vor jener etwa, dass er als 81-jähriger, gebrechlich wirkender Politiker noch immer den auf Krawall und Kampf gebürsteten Trump schlagen könne.
Eine schwere Fehleinschätzung war auch der Rückzug des US-Militärs aus Afghanistan. Den hatte zwar sein Vorgänger Trump eingeleitet, doch dass sofort die Taliban die Macht übernahmen, gilt als eine Folge fehl geleiteter Kalkulationen im Weißen Haus. Das Chaos bei Amerikas Abzug wirkte wie Zeichen amerikanischer Schwäche und Machtlosigkeit – und wurde Biden schwer angelastet.
Auch die Tatsache, dass derzeit monatlich bis zu 300.000 Migranten illegal über die Grenze in die USA kommen, wird dem Präsidenten übelgenommen. Alle Pläne, den Zuzug einzugrenzen, schlugen in der Ära Biden fehl – sämtliche Städte der USA stöhnen bereits über einen Zustrom, den sie nicht mehr bewältigen können.
Andererseits punktete Biden mit großen Erfolgen: Biden kann sich als der Präsident feiern lassen, der die Arbeitslosigkeit auf eine Rate von rund 3 Prozent gesenkt hat, mehr als eine halbe Million Jobs wurden seit 2020 geschaffen.
Mit dem „Inflation Reductions Act“ schuf er zudem ein billionenschweres Ausgabenprogramm, das die Wirtschaft nach der Coronakrise erneut ankurbelte, klimafreundliche Energiegewinnung anstieß und die marode Infrastruktur erneuerte.
Im Gegensatz zu Europa blieb den USA so eine Rezession erspart, doch bei den meisten Amerikanern kamen die guten makroökonomischen Daten nie im Alltag an. Viele spürten nur die gestiegenen Preise, in einigen Bundesstaaten schnellte die Inflation zumindest kurzfristig auf bis zu 20 Prozent hinauf.
Vor allem die Sorge vor der weiteren, ungebremsten Zuwanderung und die hohe Preise trieben zuletzt Donald Trump zusätzlich Wähler in die Arme. Denn dass der 81-jährige Joe Biden noch einmal die Kraft haben würde, in den nächsten vier Jahren noch einmal das Ruder herumzureißen, das bezweifelte sogar Viele jener, die Biden bisher für einen der "besten Präsidenten der USA" gehalten haben.
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