Wahl-Debakel gegen Trump: Wie es für Harris und die Demokraten jetzt weitergeht
Die Autopsie der politischen Leiche hat noch gar nicht richtig angefangen. Da streiten sich die vielen „Pathologen” bei den Demokraten bereits wie die Kesselflicker über die wahrscheinlichste Todesursache.
War es Joe Bidens langes Zögern bis zum Rücktritt im Sommer, das Kamala Harris den Erfolg verunmöglicht hat? Oder war es eher die grenzenlose Loyalität der Vize-Präsidentin zu ihrem unbeliebten Boss?
War es die Halbherzigkeit, mit der an der Südgrenze der Zustrom Asylsuchender verwaltet wurde? Oder waren es sich seit Jahren zugunsten der Trump-Republikaner vollziehende tektonische Verschiebungen, die einen Sieg der Demokraten von Anfang an verhindert haben?
Weil die erste Garde der Partei, von Biden und Harris über die Führungsfiguren Nancy Pelosi, Chuck Schumer und Hakeem Jeffries im Kongress wie paralysiert wirken, schauen andere tiefer in den Abgrund der desaströsen Wählerwanderungen. Harris hat im Vergleich zu Biden 2020 gegen Donald Trump fast acht Millionen Stimmen weniger eingefahren. Die Wähler sahen in ihr eine Kandidatin des "Weiter so", keine des Neuanfangs.
Erste Kritiker aus der Partei äußern sich
Das treibt Marie Gluesenkamp Perez um. Die 36-Jährige führt im Nordwesten des Landes, im Bundesstaat Washington, eine Autowerkstatt. Der schwarzhaarigen Frau ist in einem tief republikanischen Wahlbezirk etwas gelungen, das nur wenige Demokraten hinbekommen haben: Sie hat ihr Mandat im Repräsentantenhaus verteidigt und dabei weit besser abgeschnitten als Kamala Harris.
Was die Mutter eines Kleinkindes über ihre Partei sagt, ist heftiger als die erwartbare Schelte von Ex-Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders. Der linksliberale, parteilose Senator wirft den Demokraten vor, „die Menschen der Arbeiterklasse im Stich gelassen zu haben“. Gluesenkamp Perez wird grundsätzlicher.
„Der grundlegende Fehler, den Menschen machen, ist Herablassung”, sagte sie just in einem Interview, „viele gewählte Amtsträger stumpfen ab, wenn es darum geht, wie sie Menschen missachten.”
Übersetzt man das in die Sprache von Analysten in Washington, dann ist die Marke der Partei mit dem Esel im Wappen leidlich kaputtgewirtschaftet. Weil sich ihre Ansprache „an die gebildeten Eliten und Wohlhabenden in den Städten richtet, nicht an die, die ohne College-Abschluss durchs Leben gehen”.
Viele Afroamerikaner und Latinos wandten sich von den Demokraten ab
Dort hält sich laut Nachwahl-Umfragen das Verständnis für die Sorgen von Transgender-Menschen und anderen Minderheiten in Grenzen. Jedenfalls, solange Post-Corona-Preise im Supermarkt noch immer jedes durchschnittlich befüllte Portemonnaie sprengen.
Aber es wird komplizierter. Weder Biden noch Harris haben im Wahlkampf diese als „woke” verunglimpften Themen in den Vordergrund gestellt. Der Mittelschicht bei den Lebenshaltungskosten, den Krediten und an der Zapfsäule zu helfen und neue Jobs zu schaffen, war ihr wichtigstes Thema. Aber sie drangen damit nicht durch.
Je öfter Harris auf die Segnungen von Bidens Post-Corona-Konjunktur-Gesetzen hinwies, die weltweit die stärkste wirtschaftliche Erholung auslösten, dabei aber die Alltagssorgen der Amerikaner nur streifte, desto größer sei die Entfremdung geworden.
„Uns wird einfach nicht mehr geglaubt”, sagt ein Abgeordneter aus Maryland. Nur so sei zu erklären, dass neben der weißen Arbeiterschaft auch große Teile der afro- und hispanisch-amerikanischen Community den Demokraten die Rote Karte gezeigt haben: „Das Volk rennt uns davon.”
Harris` Wahlkampf der “Freude” habe ignoriert, dass eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung das Land seit Beginn der Biden-Präsidentschaft „auf dem falschen Kurs” sah.
"Hat sicher Wähler mobilisiert, aber nicht unsere"
Auf der anderen Seite gelang es Donald Trump & Co. in einem der wirksamsten TV-Werbespots, die Demokraten genau in eben jene „woke” Ecke zu drängen. „Kamala ist für sie/sie”, spießten die Konservativen die politisch korrekte Gender-Sprache auf, „Präsident Trump ist für dich.“
Ein Satz, der auch bei vielen Schwarzen und Latinos hängen blieb, die jahrzehntelang eine Bastion für die Demokraten waren. Dazu kommt: Dass Kamala Harris Trump ob seiner autokratischen Gelüste offen als Faschisten bezeichnete, „hat gewiss Wähler mobilisiert, aber nicht unsere”, sagt der Funktionär aus Maryland.
Regelrecht konsterniert sind demokratische Funktionäre über die Tatsache, dass es nicht gelungen ist, unabhängige, unentschlossene Wähler davon zu überzeugen, dass Donald Trumps erste Amtszeit schlechter war, als er es penetrant darstellt.
„Unter den Augen der Demokraten gelang Trump eine nahezu vollständige Rehabilitierung”, sagen Politik-Analysten der Georgetown-Universität in Washington, „alle Versuche, ihn wegen des Sturms aufs Kapitol und daraus resultierenden Strafprozessen für endgültig disqualifiziert zu erklären, ging an Millionen Wählern vorbei”.
Wer könnte 2028 antreten?
Wie weiter nun? Ob und wann sich das Grummeln in der Partei zu einem öffentlichen Krach hochschaukelt, ist bisher nicht absehbar.
Führende Figuren, die bei der Wahl 2028 eine Rolle spielen könnten - etwa die Gouverneure von Pennsylvania (Josh Shapiro), Kalifornien (Gavin Newsom) und Michigan (Gretchen Whitmer)- halten sich noch bedeckt. Auch der intern beliebte Verkehrsminister Pete Buttigieg, dem viele eine tragende Rolle zubilligen, hat sich bisher nicht eingelassen.
Dabei drängt die Zeit. In zwei Jahren sind Zwischenwahlen im Kongress. Bis dahin müssen die Demokraten einen Lernerfolg vorweisen. „Sonst könnten sich die Trump-Republikaner dauerhaft an der Macht etablieren.”
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