Tatsächlich arbeitet Israels Armee bei der Zusammenstellung von Hilfskonvois weiter eng mit UNRWA zusammen. Wobei allen Beteiligten klar ist, dass UNRWA nicht verhindern kann, dass die Hamas einen beträchtlichen Teil dieser Hilfe für die Zivilbevölkerung stiehlt. Auch in der Vergangenheit verhinderte ausgerechnet Israel mehrfach eine völlige Schließung des Geldhahns. Denn: Fällt UNRWA aus, muss Israel die Arbeit übernehmen.
Größter Arbeitgeber
Doch gab es mehrfach Ansätze in der Vergangenheit, die UNRWA-Arbeit zu reformieren. Nicht nur in Gaza. Kein leichtes Unterfangen: Mit über 30.000 Mitarbeitern ist UNRWA der größte nichtstaatliche Arbeitgeber mit Einrichtungen im Libanon, Jordanien, Syrien, Irak und dem Palästinensischen Autonomiegebiet. UNRWA ist laut Mandat ausschließlich für palästinensische Flüchtlinge zuständig. Und arbeitet damit abseits des weltweit operierenden UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR).
➤ Mehr lesen: 100 Geiseln für 2 Monate Waffenruhe - Berichte über neuen Geisel-Deal
UNRWA sorgte nach der ersten Fluchtwelle 1948 für Unterkunft, Nahrung und medizinische Hilfe in den Flüchtlingslagern. Nicht aber für die Eingliederung in die Fluchtländer. Im Gegenteil: Rückkehr in die alte Heimat, in die palästinensichen Gebiete, war die Zielvorgabe - und schon 1948 zweifelhaft. Darum heißt es im Mandat auch, dass dies nur auf friedlichem Weg geschehen soll.
Palästinensische Flüchtlinge können keine irakischen oder syrischen Flüchtlinge sein - auch wenn sie im Irak oder in Syrien geboren sind
Denn die Gastländer verweigerten grundsätzlich die Ansiedlung der palästinensischen Flüchtlinge auf Dauer. Auch die Flüchtlinge beharren auf ein „Recht auf Rückkehr“. Ein Sonderrecht für Palästinenser, das wächst. 700.000 palästinensische Flüchtlinge waren es 1948. Heute sind fünf Millionen. Denn der Flüchtlingsstatus wird vererbt. Über fünf Generationen und mehr.
Nur Jordanien hat „seinen“ Flüchtlingen die Staatsbürgerschaft verliehen. In allen anderen Fluchtstaaten unterliegen Palästinenser bis heute strengen Auflagen. Ohne Pass, ohne volles Recht auf Arbeit, ohne volle Bewegungsfreiheit. Ein Wechsel von einem Land in das andere ist verboten. So will es das Mandat der UNO: Palästinensische Flüchtlinge können keine irakischen oder syrischen Flüchtlinge sein. Auch wenn sie im Irak oder in Syrien geboren sind und dort ihr Leben bedroht ist.
Fast ein Jahrzehnt dauerte es, bis Tausende dieser „palästinensischen“ Flüchtlinge auf alle möglichen Ländern „verteilt“ werden konnten. Ähnlich wiederholte sich dieses palästinensische Dilemma im syrischen Bürgerkrieg. Die Medien weltweit haben von diesem Missstand praktisch nicht berichtet. Eine alte Regel bestätigt sich: Die Welt interessiert sich nicht für Palästinenser. Es sei denn, sie hätten Probleme mit Juden.
Selfies mit Leichen
UNRWA hat jetzt Ermittlungen gegen ihre Mitarbeiter im Gazastreifen aufgenommen. Selfies mit Leichen und israelischen Geiseln sind der Beweise genug. Der Rauswurf der Mitarbeiter ist zu erwarten. UN-Generalsekretär António Guterres sprach von einem „für UN-Mitarbeiter unangemessenen Verhalten“. Nach der Klärung der Vorwürfe und zu erwartenden Konsequenzen dürfte das Geld der Geberstaaten aber wieder fließen.
➤ Mehr lesen: "Unser Einsatz kollabiert" - UNRWA-Chef warnt vor Aus für Gaza-Hilfe
Was aber wird aus dem Mandat der UNRWA? In der Pension bekennen sogar ehemalige UNRWA-Direktoren wie Andrew Whitley, dass die Aufrechterhaltung eines unrealistischen Rückkehrrechts das Nahost-Problem nicht löst, sondern verewigt. 2006 erklärte der damalige UNRWA-Chef in Gaza, John Ging, dem KURIER: „UNRWA handelt allein nach Mandat. Wer UNRWA ändern will, muss das Mandat ändern.“ Seitdem haben mehrere Kriege den Gazastreifen verändert.
Eine Reform der UNRWA-Hilfe ist überfällig. Ob dieser Krieg das ändern wird, ist mehr als ungewiss. Es sei denn, ein Kommentar von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas vom Samstag wäre als Orakel zu verstehen: „Ziel der Kampagne Israels gegen die UNRWA ist die Eliminierung der palästinensischen Flüchtlingsfrage.“
Kommentare