"Unser Einsatz kollabiert": UNRWA-Chef warnt vor Aus für Gaza-Hilfe

Lebensmittelverteilung an Palästinenser durch das UNO-Hilfswerk im November in Khan Younis
Mehrere Länder haben die Zahlungen an das UNO-Palästinenserhilfswerk wegen mutmaßlicher Beteiligung von Mitarbeitern an den Hamas-Massakern am 7. Oktober 2023 gestoppt.

Nach dem vorläufigen Abbruch von Zahlungen an das UNO-Palästinenserhilfswerk UNRWA wegen der mutmaßlichen Beteiligung einiger ihrer Beschäftigten am Massaker der Hamas in Israel hat der Chef der Organisation vor einem Ende der Hilfe in Gaza gewarnt. Er sei schockiert, dass solche Entscheidungen auf der Grundlage von mutmaßlichem Verhalten einiger weniger Leute getroffen würden, schrieb Philippe Lazzarini in der Nacht auf Sonntag auf der Online-Plattform X (vormals Twitter).

Das 1949 gegründete "United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East" leistet humanitäre Hilfe für Palästinenser im Gazastreifen, im Westjordanland sowie in Jordanien, Syrien und im Libanon. Das Hilfswerk hat bereits wiederholt erklärt, seine Arbeit im Gazastreifen stehe aufgrund von Überlastung kurz vor dem Zusammenbruch. "Unser humanitärer Einsatz, von dem zwei Millionen Menschen als Rettungsanker in Gaza abhängen, kollabiert", warnte der Schweizer Lazzarini jetzt. "Die Palästinenser in Gaza haben keine zusätzliche kollektive Bestrafung gebraucht."

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9 Länder stellten bisher Zahlungen ein 

Neun Länder hatten laut UNRWA Stand Samstag ihre Zahlungen an die Organisation im Gazastreifen vorerst eingestellt. Das Hilfswerk betreibt nach eigenen Angaben Unterkünfte für mehr als eine Million Menschen und stellt Nahrung und medizinische Grundversorgung bereit. Wichtige Geldgeber wie die USA, Großbritannien und auch Deutschland hatten sich zu dem Schritt entschieden, weil zwölf der mehreren Tausend Mitarbeitern der Organisation im Gazastreifen in das Blutbad vom 7. Oktober verwickelt gewesen sein sollen. Sie wurden umgehend entlassen.

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Informationen über Verwicklungen in das Hamas-Massaker

Lazzarini hatte mitgeteilt, Israel habe dem Hilfswerk Informationen übermittelt, wonach mehrere Mitarbeiter in das Blutbad verwickelt gewesen sein sollen. Er und UNO-Generalsekretär António Guterres zeigten sich entsetzt und drohten den Betroffenen mit strafrechtlichen Konsequenzen, sollte sich der Verdacht erhärten. Auf welche Art die Mitarbeiter möglicherweise an dem Hamas-Angriff in Israel beteiligt waren, teilte die UNO zunächst nicht mit.

Die Hamas sprach von einer Hetzkampagne Israels gegen internationale Organisationen, die den Palästinensern helfen. "Das skrupellose Nazigebilde" versuche damit "alle Lebensadern unseres Volkes abzuschneiden". Sie rief die Vereinten Nationen und andere internationalen Organisationen auf, den "Drohungen und Erpressungen" Israels nicht nachzugeben.

Der Stopp der Finanzierung der UNRWA berge große politische und humanitäre Risiken, erklärte auch der Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Hussein al-Sheikh, auf X. "Wir fordern die Länder, die die Einstellung ihrer Unterstützung für die UNRWA angekündigt haben, auf, ihre Entscheidung sofort rückgängig zu machen." Die PLO ist ein Dachverband verschiedener Palästinenserorganisationen mit dem Anspruch, Alleinvertretung aller Palästinenser zu sein. Stärkste Fraktion in ihr ist die in den Palästinensergebieten des Westjordanlands herrschende Fatah von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas. Die im Gazastreifen herrschende Hamas gehört der PLO nicht an.

Israel gehen die Reaktionen nicht weit genug. Seine Regierung wolle sicherstellen, dass die UNRWA nach dem Ende des Krieges im Gazastreifen keine Rolle mehr in dem Palästinensergebiet spielen werde, erklärte Außenminister Israel Katz auf X. "Herr Lazzarini, bitte treten sie zurück", fügte er an. Israels Regierungssprecher Eylon Levy warf dem UNRWA zudem vor, eine "Front der Hamas" zu sein. "Es deckt die Hamas buchstäblich", schrieb er auf X.

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