Was droht Prigoschin?
Vor allem die Rolle des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko, bisher vor allem als Marionette Putins verschrien, warf einige Fragen auf. Er soll den entscheidenden Deal mit Prigoschin ausgehandelt haben: Völlige Straffreiheit für den Wagner-Chef und seine Söldner sowie eine Sicherheitsgarantie für deren Exil in Weißrussland.
Warum ausgerechnet Lukaschenko – und nicht Putin selbst – mit Prigoschin übereinkommen konnte, blieb auch am Sonntag unklar. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte, der Wagner-Chef und der belarussische Machthaber würden einander seit 20 Jahren gut kennen.
Wieso nahm Prigoschin diesen Deal an?
Weiters bleibt fraglich, warum Prigoschin sich entschied, diesen Deal anzunehmen – schließlich herrschte bei den meisten Experten zumindest darüber Einigkeit, dass den Rebellenführer in seinem Exil in Weißrussland kein langes, glückliches Leben erwarten dürfte.
So spricht die französische Politikwissenschaftlerin Anna Colin Lebedev etwa gegenüber der dpa davon, dass Prigoschin wegen der Verletzung von Putins Autorität auch im Exil „dem Untergang geweiht“ sei. Und auch der Russland-Experte Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck erklärte am Samstag in der ZiB 2: „Er bleibt ein Störfaktor, eine Irritation für die Führung in Moskau.“ Vor allem, weil Prigoschin künftig kaum ruhiger auftreten dürfte, werde Putin „wohl kaum damit leben können, dass Prigoschin selbst noch lange leben wird.“
Doch auch darüber, dass für Russlands Präsidenten am Samstag eine neue, gefährliche Zeit angebrochen sei, sind sich internationale Experten einig.
Was heißt das für Putin?
Der Brite Greene schrieb am Sonntag auf Twitter davon, dass die reibungslosen Aktionen der Wagner-Truppen Putin von den ersten Stunden an schwach wirken ließen. Um sein Ansehen zurückzuerlangen, „hätte er Prigoschins Söldner schnell und entscheidend zerschlagen müssen. Das hat er nicht getan.“ Dass Lukaschenko die Krise letztlich moderierte, sei „extrem beschämend“ für Putin, umgekehrt sei es Prigoschin „mit seiner Erklärung, er habe den Befehl zur Umkehr gegeben, ,um Blutvergießen zu vermeiden’, gelungen, wie der kühlere Kopf zu wirken – und wie die einzige Person, von deren Entscheidung der weitere Ausgang abhing“, so Greene.
Kaum Unterstützer
Mangott wies in der ZiB 2 darauf hin, dass Putin bis zuletzt nicht allzu viel offene Unterstützung von Russlands Eliten zugesagt bekam. Zwar entsandte der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow rund 3.000 Paramilitärs zur Verteidigung Moskaus, doch aus dem Geheimdienstmilieu sprach niemand Putin die Treue aus. Zur Eskalation sei es nur deshalb nicht gekommen, weil auch Prigoschin keine Unterstützer um sich sammeln konnte.
Laut Lebedev würde in Russland nun die Einsicht wachsen, „dass die Zeit der Stabilität im Land vorbei ist“. Es sei erkennbar, „dass der als allmächtig wahrgenommene Staat Schwächen hat“. „Der Sitz der Macht ist heute ein weitaus wackeligerer Stuhl, als es gestern der Fall war.“
CIA wusste Bescheid
Ein weiteres Indiz für Putins fehlende Kontrolle: Offizielle Stellen in Washington erklärten gegenüber US-Medien am Sonntag, US-Geheimdienstler hätten schon am Mittwoch Teile der US-Regierung sowie Generäle davor gewarnt, dass Prigoschin mit seiner Gruppe plane, „militärisch gegen das Regime vorzugehen“. Anders als im Winter 2021, als die CIA etwa den deutschen Bundesnachrichtendienst vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine warnte, habe man diesmal keine ausländische Regierung gewarnt, um zu verhindern, dass Putin Wind bekäme.
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