Russland: Wenn das Blatt sich wendet

Russland: Wenn das Blatt sich wendet
Auch wenn die Meuterei in Russland scheiterte: Wladimir Putin ist angezählt. Und die Frage, was nach ihm kommt, macht Sorge.
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Wer böse ist, zieht das Böse an. Es gibt wohl kaum jemanden in unseren Breiten (außer notorischen Putin-Verstehern) und in der Ukraine, der in den vergangenen 16 Monaten nicht darauf gehofft hätte, dass sich das Blatt gegen den Kreml-Herrscher und Kriegstreiber wendet. Dass er zur Verantwortung oder sonst irgendwie aus dem Verkehr gezogen würde.

Aber durch Jewgeni Prigoschin? Den Chef der Wagner-Söldner, einst Koch und dann Schlächter im Dienste Putins?

Zunächst war  ohnehin alles sehr  undurchsichtig, was da an dramatischen Nachrichten und Bildern aus Russland durchdrang: Söldner, die im Süden des Landes in Städte ein- und dann auf Moskau marschieren;  ein Wagner-Chef, der mit Putins Militärs und der Ukraine-Lüge (Bedrohung Russlands durch Kiew  und NATO) abrechnet, den Marsch in die Hauptstadt  aber wieder abbläst; Moskau, das Anti-Terrormaßnahmen ergreift; und ein Präsident, der in einer beklemmenden Rede die Meuterei geißelt – und neben dem üblichen Geschwurbel von der Aggression  feindlicher (Neo)Nazis  ein ungewohnt angeschlagenes Bild abgibt: So ernst herausgefordert war  Putins scheinbare Allmacht noch nie.

Wagner-Truppen erledigten in der Ukraine Drecksarbeit

Dabei wusste man über viele Monate nicht, was das für ein Spiel war, das Prigoschin und Putin da spielten: Die Wagner-Truppen, verstärkt um Schwerverbrecher aus russischen Gefängnissen, erledigten in der Ukraine die Drecksarbeit, die eine desolate russische Armee nicht erledigen konnte/wollte; sie metzelten Bachmut und andere Städte nieder und klagten über fehlende Unterstützung des Militärs. Und war seinerzeit nicht auch Putin stinksauer auf seine Generäle, die ihm einen Ukraine-Sieg im dreitägigen Handstreich versprochen hatten?

Aber für ein abgekartetes Spiel haben sich beide Akteure zu weit hinausgelehnt – ohne den anderen beim Namen zu nennen. „Meuterei“, „vor dem Volk verantworten“ zielt auf Prigoschin; und einer, der sich von seinen Militärs so narren lässt, meint umgekehrt den Schwächling Putin. Und dann war alles schon wieder vorbei.

Wir wissen nicht, wann  Russland (wieder) vor einem Umbruch steht. Wie stark der Rückhalt Putins in seinen höchsten Kadern ist. Wie sich die Eliten verhalten, die bisher Putin unterstützen.   Ob ein Übergang friedlich oder (bürger)kriegerisch vonstatten gehen würde.

Was nach Putin kommt

Aber was das angesprochene Wenden des Blattes in Moskau betrifft: Selten wurde deutlicher, wie ungewiss und vielleicht bedrohlich sein könnte, was allenfalls nach Putin kommt. Einer wie Prigoschin, der schon im Auftritt den Irrsinn verkörpert, der Putin gerne unterstellt wird? Wer wird der nächste sein? Aber so ist Geschichte, mit Möglichkeiten in viele Richtungen. Dann- doch-lieber-noch-Putin wäre, mit Blick auf die Geschichte der vergangenen Jahre und Monate, die jedenfalls falsche.

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