"Make Europe Great Again": Ungarn übernimmt den EU-Vorsitz

Flaggen der Europäischen Union und Ungarns wehen an Masten vor einem Gebäude im Zentrum der ungarischen Hauptstadt Budapest.
Ungarn übernimmt mit 1. Juli den EU-Ratsvorsitz. Beim Motto nimmt Ungarns Premier Orban Anleihen bei Donald Trump.

Ungarn übernimmt ab heute, 1. Juli, den turnusmäßigen Ratsvorsitz der Europäischen Union. Bis Ende des Jahres hat das Land damit den Vorsitz der Ministerräte inne und kann diese maßgeblich beeinflussen. 

Budapest hat seine Ratspräsidentschaft unter das Motto "Make Europe Great Again" gestellt - eine Anlehnung an den Slogan "Make America Great Again" des früheren US-Präsidenten Donald Trump, dessen erklärter Anhänger Ministerpräsident Viktor Orban ist.

Orban steht seit Jahren wegen der Aushöhlung der Demokratie in seinem Land in der Kritik und liegt mit Brüssel etwa bei der Migrationspolitik und der Unterstützung der Ukraine über Kreuz. 

Zur Vertretung seiner Interessen kündigte der ungarische Regierungschef am Sonntag die Gründung einer neuen Rechtsaußen-Fraktion mit dem Namen Patriots for Europe (Patrioten für Europa) im Europaparlament an.

Sieben Schwerpunkte

Die ungarische Präsidentschaft hat sieben Schwerpunkte festgelegt, wobei sie laut Experten am ehesten beim Festzurren einer Vereinbarung zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit im Herbst erfolgreich sein dürfte. "Das könnte ein großes Verdienst der Präsidentschaft werden", sagt dazu der ungarische Europajournalist László Arató gegenüber der APA.

 Bei der Umsetzung des EU-Asyl- und -Migrationspakts oder der Fortführung der gerade erst gestarteten EU-Beitrittsgespräche mit der Ukraine dürfte Ungarn hingegen eher auf der Bremse stehen. "Orbán will mit jedem erweitern, außer mit der Ukraine", so der langjährige Brüssel-Korrespondent mehrerer ungarischer Medien.

Der ungarische Premier präferiert schon seit langem den Westbalkan, vor allem Serbien, mit dessen Präsidenten Aleksandar Vučić er die enge Bindung an Russland und China teilt. In der EU machen die guten Kontakte nach Moskau und Peking und auch die Abhängigkeiten, in die Orbán sich mit Verweis auf die wirtschaftlichen Interessen Ungarns begibt, allerdings keinen guten Eindruck. 

Vor allem seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 gelten bis weit in das europäische Rechtsaußen-Spektrum hinein freundschaftliche Kontakte zu Russlands Präsident Wladimir Putin als Negativum. Orbán ließ die Sanktionspakete der EU gegen Russland bisher zwar in der Regel passieren, blockierte oder verzögerte allerdings immer wieder einzelne Elemente dieser Pakete.

Ungarn blockiert zudem die Auszahlung von weiteren Geldern an die Ukraine aus der so genannten Europäischen Friedensfazilität. Orbán wirbt in diesem Zusammenhang im Inland damit - zuletzt auch im EU-Wahlkampf - "gegen den Krieg" und "für den Frieden" zu sein, was in seinem Fall vor allem heißt, der Ukraine keinerlei militärische Hilfe - auch keine finanzielle - zukommen zu lassen.

Rechtsstaatlichkeit: Gelder für Ungarn weiterhin gesperrt

Doch Budapest hat auch seinerseits mit blockierten Geldern zu kämpfen, insbesondere wegen Anfragen aufgrund der Rechtsstaatlichkeit und des Korruptionsverdachts. Im April 2022 leitete die EU-Kommission den Rechtsstaatsmechanismus (Artikel-7-Verfahren) gegen Ungarn und das damals ebenfalls rechtsnational regierte Polen ein, der auch finanzielle Sanktionen beinhaltet. 

Das Verfahren gegen Polen wurde im Mai 2024 nach einem Regierungswechsel und einer darauffolgenden Änderung der beanstandeten Rechtsnormen eingestellt. Die Europäische Kommission blockiert bei Ungarn nach wie vor mehrere Milliarden an EU-Mitteln, auch wenn sie im Dezember 2023 einen Teilbetrag von rund 10 Mrd. Euro nach einigen Änderungen im nationalen Recht freigab. Eine baldige Beendigung des Rechtsstaatsverfahrens für Ungarn ist indes nicht in Sicht und macht das Land zum Paria in der Europäischen Union.

Orbáns seit 2010 mit Zwei-Drittel-Mehrheit regierende rechtsnationale Partei Fidesz ist innereuropäisch ebenfalls verwaist, seit sie 2021 nach jahrelangen Konflikten die Europäische Volkspartei (EVP) verlassen hat. Im Anschluss wähnte sich Orbán laut Medienberichten als Vereiniger einer gesamteuropäischen Rechten, doch daraus ist bis dato nichts geworden - im Gegenteil. 

Im Vorfeld der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Europaparlaments am 16. Juli zeigt sich eine immer stärkere Zersplitterung der europäischen Rechtsparteien, wobei Fidesz bisher noch nirgendwo andocken konnte. Zuletzt hatte Giorgia Meloni, Regierungschefin Italiens und Vorsitzende der Europapartei der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), Orbán die kalte Schulter gezeigt. Die pro-russische Politik von Fidesz wird in der EKR, der etwa auch die rechtsnationale polnische Oppositionspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) angehört, gar nicht goutiert.

"Fidesz hat seinen europäischen Einfluss völlig verloren", seit die Partei aus der EVP ausgetreten ist, so Arató. "Es war ein riesiger Fehler, auszutreten - auch wenn sie damals wohl nichts anderes mehr machen konnten." Die EVP habe Ungarn zuvor innerhalb der EU "geschützt". 

"Nach dem Austritt wurde das Artikel-7-Verfahren gestartet, es wurden Gelder blockiert... Es ist eine rasante Talfahrt."

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