Wie die russisch-orthodoxe Kirche hinter Putins Krieg steht

Wie die russisch-orthodoxe Kirche hinter Putins Krieg steht
Die russisch-orthodoxe Kirche geht Hand in Hand mit dem Kreml. Damit sorgt sie für neue Risse in den ohnehin angespannten Beziehungen.

Von einem russischen Überfall auf die Ukraine war in Kyrills Sonntagspredigt keine Rede. Stattdessen donnerte der russisch-orthodoxe Patriarch in der Moskauer Erlöserkathedrale gegen diejenigen, die “zu den Waffen greifen gegen das heilige Russland“. In seiner Predigt, der zahlreiche Regierungsvertreter beiwohnten, sprach Kyrill von "schwerwiegenden Ereignissen" und “leidgeprüftem Donbass-Land“. Damit erinnerte er rhetorisch stark an einen Mann, der dieser Tage die Cover der Tageszeitungen auf der ganzen Welt ziert. Die Argumentation Kirylls folgt eindeutig der von Wladimir Putin. Kein Wunder, gehört Kyrill doch zum engsten Beraterkreis des russischen Machthabers.

"Der Einfluss der orthodoxen Kirche in Russland ist in den vergangenen Jahren immer stärker geworden", erklärt Religionssoziologin Kristina Stoeckl. Kyrill habe es im Gegensatz zu seinem Vorgänger ganz klar darauf angelegt, eine enge Partnerschaft mit dem Kreml zu pflegen. „Seine dritte Präsidentschaft trat Putin mit einem klaren Bekenntnis zur Stärkung der traditionellen und religiösen Werte Russlands, an. In den letzten Jahren wurden Gesetze mit dem Ziel verabschiedet, die Zivilgesellschaft einzuschränken. Gemacht wurden sie unter dem Deckmantel des Schutzes der traditionellen Werte und damit auch unter Beihilfe der Kirche“. Der Patriarch habe diesen Krieg „sicher nicht begonnen, aber er trägt trotzdem Verantwortung, weil er die Gründe, die Putin für den Krieg genannt hat, unterstützt.“

Russian President Vladimir Putin and Patriarch Kirill of Moscow and All Russia attend a ceremony in Moscow

Zeichen von Abwendung

Russland sei eine sehr stark säkularisierte Gesellschaft, in der man sich dennoch gerne zur Orthodoxie bekenne. „Religion ist in diesem Vielvölkerstaat eine ethnische Zuschreibung. Dieses ’ich bin orthodox’ ist sehr mächtig und weitverbreitet - und wird auch nicht infrage gestellt. Dafür aber von der Regierung und der Kirche ausgenutzt“, sagt die Innsbrucker Professorin. Als „sehr kompliziert“ bezeichnet sie das Verhältnis zwischen der russischen und der ukrainischen Kirche. „Sie sind verfeindet“, stellt Stoeckl klar.

In der Ukraine gibt es zwei orthodoxe Kirchen, die eine gehört zur russischen orthodoxen Kirche von Moskau, die andere hat ihr Oberhaupt im Patriarchat von Konstantinopel mit Sitz in Istanbul. Die Kirchen sind kirchenrechtlich getrennt. „Bemerkenswert ist jedoch, dass sich der Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche , der in Kiew sitzt, ganz klar gegen die Invasion ausgesprochen und diese auch so genannt hat. Er stellte sich hinter die ukrainische Regierung und rief die Gläubigen auf, sich nicht spalten zu lassen“, sagt Stoeckl. Immer mehr Diözesen in der Ukraine hätten bereits die Seite gewechselt. „Das liegt daran, dass der Patriarch von Moskau den Krieg nicht verurteilt hat. Er bete für Frieden, sagt er, vielen reicht das aber nicht. Es sind ja die Gläubigen seiner Kirche, die von russischen Bomben getroffen werden“.

Wie die russisch-orthodoxe Kirche hinter Putins Krieg steht

Kristina Stoeckl ist Professorin an der Universität Innsbruck. 

Gespaltene Orthodoxie

Stoeckl sieht eine Bewegung weg von der Moskauer hin zur ukrainischen Kirche. „Der Patriarch von Moskau könnte die ukrainischen Gemeinden, die er bisher als ’Kernland’ der russischen Orthodoxie bezeichnet hat, verlieren. Das wird die Stellung Moskaus innerhalb der orthodoxen Welt schwächen, weil die russische orthodoxe Kirche dadurch nicht mehr die numerisch größte und stärkste sein wird. Es besteht natürlich auch die Gefahr, dass – sollte Russland diesen Krieg gewinnen – das Moskauer Patriarchat sich erneut alle ukrainischen Kirchengemeinden einverleibt, wie das bereits in den 1940ern unter Stalin geschehen ist“. Die orthodoxe Welt sei bereits jetzt tief gespalten. „Viele Kirchen werden sich deutlicher als bisher von Moskau abgrenzen. Es gibt jetzt schon Stimmen, vor allem bei Orthodoxen, die im Westen leben, die sich gegen eine ’putinisierte Orthodoxie’ aussprechen“.

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