Ukraine: Warum die "Koalition der Willigen" scheitern könnte

Während sich die US-Regierungsspitzen in Chats über die unzureichenden militärischen Fähigkeiten Europas mokieren, fand am Donnerstag ein weiteres Treffen der „Koalition der Willigen“ statt. 31 Vertreter "williger" Staaten – neben EU-NATO-Mitgliedern Vertreter der Türkei, Australiens oder Norwegens - kamen zusammen.
Unter Führung von Großbritannien und Frankreich debattierten sie darüber, wie man die Ukraine besser unterstützen – und wie man Sicherheitsgarantien im Falle eines Waffenstillstands geben könne. Eines etwaigen Waffenstillstands, bei dessen Aushandlung wohl weder der französische Präsident Emmanuel Macron noch der britische Premier Keir Starmer mit am Tisch sitzen werden. Geschweige denn ein deutscher Regierungschef.
Neben der gewohnten Betonung der „unverbrüchliche Unterstützung der Ukraine“ (aus geplanten 40 Milliarden Euro, die man vergangene Woche bereitstellen wollte, wurde nichts), sprach Macron im Anschluss von weiteren Waffenlieferungen sowie zwei Milliarden Euro Unterstützung für das vom Krieg heimgesuchte Land.
Streit um 150 Milliarden
Im Hintergrund dürften die Mitglieder der „Willigen“ vor allem darüber debattiert haben, wie sie die vielbeschworene „Wiederbewaffnung“ ihrer Staaten finanzieren sollen. Und wer was bekommt. Die Briten etwa sind empört, dass die Franzosen die 150 Milliarden Euro, die Brüssel für Rüstungsbeschaffung aufbringen will, nur an EU-Mitglieder auszahlen wollen.
Trotz Brexit gelten die britischen Streitkräfte als eine der stärksten Militärs in Europa und sehen sich als Schutzmacht des Kontinents. Grundsätzlich scheint nicht einmal klar, wie diese 150 Milliarden zustande kommen – die Kluft zwischen Staaten wie Polen und Spanien ist groß, geht es um die strategischen Überlegungen.
Dazu kommt, dass Staaten mit einer stärkeren Rüstungsindustrie „ihre“ Unternehmen im Spiel halten wollen – und so hinter den Kulissen ein Streit über die Zuständigkeiten bei den jeweiligen Waffengattungen entbrennt. Kooperationen zwischen europäischen Rüstungsunternehmen gibt es. Etwa zwischen deutschen und französischen Unternehmen, die an einem „Panzer der neuen Generation“ arbeiten – dem „Main Ground Combat System“ (MGCS). Indienststellung: Frühestens 2040, eher 2045.
Sicherheitsgarantien - aber wie?
Gleichzeitig geht es um mögliche Sicherheitsgarantien, falls es in der Ukraine zu einer Waffenruhe kommen sollte. Es ist fraglich, welche Garantien die „Koalition der Willigen“ ohne USA glaubwürdig geben kann. Mittlerweile spricht Macron nicht mehr von europäischen Truppen, die einen solchen Waffenstillstand überwachen sollten. Dazu wären – sehr niedrig gerechnet – 75.000 Soldaten notwendig (25.000 für den direkten Einsatz, 50.000 für Rotation und Reserve). Vor allem aber schweres Gerät wie Panzer, Flugabwehrsysteme, Artillerie, Kampfflugzeuge und ein massiver logistischer Aufwand.
Der französische Präsident und der britische Premier wollen aber mit Truppen in der Ukraine „Präsenz“ zeigen, sie an "strategischen Orten" stationieren - sie sollen nach einem Waffenstillstand zur Abschreckung dienen. Näheres führte er dazu nicht aus. Ab kommender Woche soll angeblich ein Franco-Britisches Team vor Ort in der Ukraine evaluieren, was die ukrainischen Streitkräfte benötigten und um eine mögliche Entsendung von Truppen aus westlichen Ländern nach einem möglichen Friedensabkommen vorzubereiten.
Langer Weg zum Frieden
Starmer bringt Eurofighter der Royal Airforce ins Spiel, die einen etwaigen Waffenstillstand überwachen sollen. Doch auch die britischen Luftstreitkräfte wären alleine nicht in der Lage, einen längeren Einsatz an der Waffenstillstandslinie alleine zu bewältigen.
Russland lehnt eine Stationierung europäischer Truppen vehement ab, aus Washington ist aus aktueller Sicht keine große Schützenhilfe zu erwarten. Eher steht ein indisches oder gar chinesisches Engagement im Raum. Grundsätzlich dürfte es bis zu einem Friedensschluss noch lange dauern, wie auch bereits US-Präsident Donald Trump einräumen musste.
Mehr als drei Jahre nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine haben die Europäische Union und Großbritannien keine Antwort darauf gefunden, wie eine gemeinsame Beschaffung, Produktion und Aufbringung finanzieller Mittel für die Verteidigung gelingen kann.
Deutsche Infrastruktur marode
Wären Personal und Ausrüstung vorhanden, gäbe es eine einheitliche Führung der verschiedenen EU-Streitkräfte, würde es im Bündnisfall derzeit an der Infrastruktur in Deutschland scheitern. Die Bundesrepublik hätte im Ernstfall die Aufgabe, als logistische Drehscheibe zu dienen – Zehntausende Soldaten, Panzer etc. von West nach Ost bringen. Doch über 4.000 der 40.000 Brücken in Deutschland befinden sich in einem Zustand, der Schwertransporte unmöglich macht. Auch viele Straßen sind der Belastung nicht gewachsen. Vom Schienennetz ganz zu schweigen.
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