Ukraine-Krieg: Beide Seiten klagen über Munitionsmangel

Ukraine-Krieg: Beide Seiten klagen über Munitionsmangel
Der ukrainische Präsident Selenskij zeigt sich sicher, dass Russland im Krieg eine Niederlage erleidet. Vorerst aber geben beide Seiten zu, dass es ihnen an Munition fehlt.

Bei den Kämpfen in der Ukraine klagen die Kriegsparteien Kiew und Moskau über Munitionsmangel - besonders bei den heftigen Gefechten um die Stadt Bachmut im Osten.

Der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj telefonierte offiziellen Angaben zufolge mit US-Generalstabschef Mark Milley, um auf die notwendige Lieferung von Munition und Technik hinzuweisen. Zudem müsse die Flugabwehr des Landes verstärkt werden, sagte er.

Auch die russische Privatarmee Wagner klagt nach Angaben ihres Chefs Jewgeni Prigoschin weiter über fehlende Artilleriegeschosse und Patronen.

10.000 Tonnen Munition im Monat

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte der Bild am Sonntag, fehlende Munition sei das Problem „Nummer eins“ im Kampf gegen die russischen Besatzer. „Deutschland könnte wirklich mehr bei der Munition helfen. Mit Artillerie-Munition“, meinte er. Westliche Experten gehen davon aus, dass auch Russlands Vorräte stark geschrumpft sind.

Allein die russische Söldnertruppe Wagner brauche pro Monat 10.000 Tonnen Munition für den Kampf um Bachmut, sagte Prigoschin in einem Video. Er forderte die russische Führung mit Nachdruck zur Lieferung auf. Das Video zeigt ihn angeblich auf dem Dach eines Hauses der weitgehend zerstörten Stadt Bachmut - etwa 1,2 Kilometer vom Verwaltungszentrum entfernt, das von ukrainischen Truppen gehalten wird. In dem Video waren viele zerstörte Häuser und Straßenzüge zu sehen - vergleichsweise seltene Aufnahmen aus der Stadt, die einmal 70 000 Einwohner hatte. Heute leben dort nur noch wenige Tausend. „Wir werden siegen“, meinte Prigoschin.

Bachmut wird weiter verteidigt

Die Ukraine will Bachmut trotz hoher Verluste weiter verteidigen. "Wenn man sich von Bachmut zurückzieht, was änderte das? Russland würde Bachmut einnehmen und seine Offensive auf Tschassiw Jar fortsetzen, so dass jede nächste Stadt hinter Bachmut das gleiche Schicksal erleiden könnte wie Bachmut", sagte Außenminister Kuleba der Bild am Sonntag.

Je länger aber Bachmut verteidigt werde, desto größer sei "die Wahrscheinlichkeit, dass andere Städte nicht das gleiche Schicksal erleiden."

Das britische Verteidigungsministerium bestätigte am Samstag, die Wagner-Söldner hätten in den vergangenen vier Tagen den "größten Teil des Ostens" von Bachmut unter ihre Kontrolle gebracht. Dem Ministerium zufolge kontrollieren die ukrainischen Streitkräfte noch den Westen der Stadt und haben wichtige Brücken über den Fluss Bachmutka zerstört, der mitten durch die Stadt fließt.

Ukrainische Gegenoffensive geplant

Der Kommandant der ukrainischen Bodentruppen, Oleksandr Syrskyj, erklärte, der erbitterte Kampf um Bachmut in der Ostukraine trage dazu bei, Zeit für die Vorbereitung einer Gegenoffensive gegen die russische Armee zu gewinnen.

"Die wahren Helden sind jetzt die Verteidiger, die die Ostfront auf ihren Schultern tragen", erklärte Syrskyj. Das Verteidigungsministerium in Kiew gab am Samstag an, dass die ukrainischen Soldaten am Vortag "mehr als 100 feindliche Angriffe" entlang der östlichen Front abgewehrt hätten.

Einige Experten hatten zuvor den Sinn weiterer Kämpfe um Bachmut in Frage gestellt. Beobachter zweifeln zwar an der strategischen Bedeutung der Stadt, die Schlacht hat für beide Seiten mittlerweile jedoch einen symbolischen Wert erlangt.

Selenskij: Russland steht als "Synonym für Terror"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij beklagte unterdessen auch in anderen Regionen neue „brutale Terrorangriffe“ Russlands. Tag und Nacht gebe es diese Attacken gegen Städte und Gemeinden, sagte er in seiner in Kiew verbreiteten allabendlichen Videobotschaft.

„Raketen und Artillerie, Drohnen und Mörser - der bösartige Staat nutzt eine Vielfalt an Waffen mit dem einen Ziel, Leben zu zerstören und nichts Menschliches zurückzulassen“, sagte Selenskij.

„Ruinen, Schutt, Einschlaglöcher am Boden sind das Selbstporträt Russlands, das es dort malt, wo Leben ohne Russland existiert“, sagte der Staatschef. Das Land stehe für das Böse. „Es ist zu einem Synonym für Terror geworden und wird ein Beispiel sein für Niederlage und gerechte Bestrafung für seinen Terror.“

Selenskij erwähnte mehrere Städte und Regionen, die besonders betroffen waren von neuen russischen Angriffen. Allein die Region Charkiw habe seit Jahresbeginn 40 Raketenangriffe erlebt. In der Stadt Cherson seien am Samstag drei Ukrainer auf dem Weg zum Einkaufen durch russisches Feuer getötet worden.

In seiner Videobotschaft informierte Selenskij außerdem über ein neues von ihm unterzeichnetes Dekret über Sanktionen gegen mehr als 280 Unternehmen und 120 Personen. Diese hätten mit Hilfe von Glückspielgeschäften der Ukraine geschadet und aus dem Staat Mittel abgezogen, die dann russischen Strukturen zugeflossen seien. Die Kanäle, durch die Milliarden abgeflossen seien, wurden demnach geschlossen. Selenskij nannte keine Details. Sein Dekret enthält die Namen von im postsowjetischen Raum aktiven Buchmachern.

Russische Reservisten fordern von Putin militärische Hilfe

In einem neuen Videoappell haben russische Reservisten im Kriegsgebiet im Osten der Ukraine Missstände in der Truppe beklagt und Kremlchef Wladimir Putin um Hilfe gerufen. Als Oberkommandierender der Streitkräfte solle sich Putin darum kümmern, dass die Kommandeure ihre Arbeit machten, sagte ein vermummter Sprecher in der am Samstag aufgenommenen und bei Telegram verbreiteten Botschaft. Insgesamt sind ein Dutzend Uniformierte auf dem Video zu sehen - ebenfalls ohne erkennbare Gesichter.

Der Sprecher der Gruppe beklagt fehlende Ausrüstung, darunter Nachtsichtgeräte, und mangelnde Führung durch die Befehlshaber. Die Kommandeure würden einfach das Dekret des Präsidenten ignorieren und unvorbereitete Einheiten in den Sturmtrupps einsetzen, beklagte der Mann. „Wir weigern uns nicht, die Aufgaben der Gebietsverteidigung zu erfüllen. Wir lehnen es ab, ein ungerechtfertigtes Risiko einzugehen - mit Maschinengewehren gegen Panzer, gegen Mörser und Scharfschützen.“

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