Keine ausreichende Flugabwehr, keine Lufthoheit – und ein Feind, der den Einsatz seiner Waffen immer besser koordiniert und synchronisiert. Sowohl die Kommunikation zwischen russischer Drohnenaufklärung und Artillerie als auch der Kampf mit Drohnen generell hat entscheidend dazu beigetragen, dass die ukrainischen Streitkräfte in der bald zwei Monate andauernden Gegenoffensive nach wie vor keine entscheidenden Durchbrüche verzeichnen konnte – und das unter massiven Verlusten.
Täglich tauchen neue, geolokalisierte Videos von Lancet-Drohnen auf, die in ukrainische Kampf- und Schützenpanzer einschlagen, oder aber ein Artilleriegeschütz zerstören. Mehr als 500 Fahrzeuge oder Systeme soll die „Lancet III“ bereits zerstört haben.
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Bereits vor wenigen Wochen änderten die ukrainischen Streitkräfte ihr Vorgehen. Zu verlustreich waren die Angriffe nach westlichem Vorbild – freilich ohne Luftunterstützung. Dazu kommt, dass selbst wenn eine Ortschaft befreit ist, sich die russischen Truppen zurückgezogen haben, die russische Artillerie unbarmherzig dreinschlägt. Die neue Taktik hat allerdings einen Haken.
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Denn die ukrainischen Streitkräfte verlagern sich ebenso auf diese Waffengattung: „Man konzentriert sich auf infanteristische Angriffe, die durch Artillerie unterstützt werden. Das funktioniert derzeit aber nicht synchron, sondern nur aufeinanderfolgend. Zum Beispiel: Die Artillerie feuert auf russische Stellungen und erst mit Verzögerung greifen ukrainische Infanterieeinheiten an“, sagte etwa Militäranalyst Franz-Stefan Gady im KURIER-Interview. Dadurch verschießen die ukrainischen Streitkräfte Berichten zufolge derzeit bis zu 8.000 Schuss Artilleriemunition am Tag. So viel, wie Europa etwa in zehn Tagen produziert. Die Hoffnung Kiews ist, dass Artillerie- und Infanterieangriffe die russische Verteidigung langsam aber sicher zermürben.
Munitionsnachschub gesucht
Dieser neue Abnützungskrieg belastet die US-amerikanischen und europäischen Arsenale massiv, weswegen Kiew mittlerweile von den USA gelieferte Streumunition einsetzt, während Washington auf der ganzen Welt versucht, neue Lager zu finden: Tausende von 155-mm-Geschossen hat das US-Militär aus Südkorea abgezogen, in Japan versucht man ebenso, die Regierung zu Waffenlieferungen zu bewegen. Bisher hat sich Tokio auf die Lieferung von nichtletalen Gütern beschränkt – das könnte sich jedoch bald ändern: Erst kürzlich forderte der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida die Regierungskoalition auf, die strengen Grundsätze seines Landes für die Lieferung von Waffen aufzuheben.
Er besteht darauf, dass bald eine Entscheidung getroffen werden sollte. Über wie viel Artilleriemunition Japan verfügt, ist nicht bekannt. Doch sollte die Regierung tatsächlich ihre Ausfuhrbestimmungen lockern, könnte es nicht nur bei Artilleriemunition bleiben. Ende vergangenen Jahres hatte das Land beschlossen, militärisch massiv aufzurüsten.
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Auch in Peru, Ägypten und anderen Ländern suchen US-Beamte nach Möglichkeiten, Artilleriemunition zu lukrieren. Indes hat Russland mit dem Iran und Nordkorea Lieferanten gefunden – Teheran lieferte etwa mindestens 300.000 Schuss nach Moskau. Daneben kann Russland laut dem Chef des estnischen Militärgeheimdienstes, Oberst Margo Grosberg, – unter erheblichem Aufwand – täglich 9.000 Stück Artilleriemunition produzieren.
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