Militärexperte zur Gegenoffensive: „Bis auf die USA könnte das keine NATO-Armee“
Seit knapp eineinhalb Monaten läuft die ukrainische Gegenoffensive. Nach wie vor haben Kiews Streitkräfte die erste russische Hauptverteidigungslinie an der südlichen Front nicht erreicht. Militäranalytiker Franz-Stefan Gady hat vor Kurzem die Front besucht und mit ukrainischen Soldaten gesprochen.
KURIER: Wie haben Sie die Stimmung der ukrainischen Soldaten wahrgenommen?
Franz-Stefan Gady: Die Soldaten sind grundsätzlich motiviert, es herrscht ein starker Innovationsgeist – man tüftelt an neuen Taktiken, etwa im Bereich der Drohnenaufklärung. Selbstverständlich gibt es auch da und dort Kritik, aber das liegt in der Natur der Sache. Und immer wieder hört man: „Die Russen sind keine Amateure und sollten nicht unterschätzt werden.“
Das hat man unter anderem nach dem russischen Angriff auf Wuhledar, wo zahlreiche russische Panzer zerstört wurden, getan. Mittlerweile müssen sich auch die ukrainischen Streitkräfte auf Angriffe in kleinen Einheiten zu Fuß beschränken. Warum ist das so?
Die Ukrainer mussten sicherlich ihre eigenen Lektionen lernen. Die erste Phase der Gegenoffensive brachte nicht den gewünschten Erfolg, da es einerseits stark befestigte russische Stellungen zu überwinden gilt, die Ukraine teilweise über keine integrierte Flugabwehr verfügt. Ein weiteres großes Problem sind russische Kamikazedrohnen, die die ukrainischen Panzer bewegungsunfähig machen. Mir wurde das beschrieben wie ein Fliegenschwarm, der sich um mechanisierte Verbände schart und dann zuschlägt. Zusätzlich feuert dann die russische Artillerie, die die Fahrzeuge gegebenenfalls zerstört. Daher fehlt die Mobilität. Der Fortschritt der Offensive kann daher nur in wenigen hundert Metern, nicht in Kilometern gemessen werden.
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