Flucht aus der Ukraine: Durch offene Grenzen nach Westen
Auch in der Dienstvilla ist noch Platz für Neuankömmlinge. Polens Präsident Andrzej Duda bietet einige Zimmer in seinen Residenzen an. Auf Initiative von Polens First Lady Agata Kornhauser-Duda kommen bereits seit mehreren Tagen Geflüchtete in zwei Dienstvillen des Staatsoberhauptes unter.
Nicht nur der Präsident, ganz Polen empfängt die Kriegsflüchtlinge aus der Nachbarschaft mit offenen Armen. Schon die Abfertigung an der Grenze läuft formlos und schnell. Allein am Samstag fertigten polnische Grenzschützer 129.000 Menschen ab – so viele wie noch nie an einem Tag.
Die Gesamtzahl der seit Beginn der russischen Invasion in Polen angekommenen Flüchtlinge steigt damit auf mehr als eine Million. „Die Abfertigung ist so einfach wie möglich“, sagt die Sprecherin des polnischen Grenzschutzes. „Es geht darum, die Identität der Personen zu bestätigen, Dokumente zu überprüfen und die Datenbanken zu kontrollieren, ob es sich nicht um gesuchte Personen handelt. Das dauert ein paar Minuten.“ In ganz Polen sind inzwischen mehr als 30 Aufnahmezentren eingerichtet worden, die sich um Versorgung und Unterbringung der Menschen kümmern.
Stunden mit Putin
Währenddessen geht die internationale Pendeldiplomatie weiter, um den Angriffskrieg Russlands zu stoppen, oder zumindest einen vorübergehenden Waffenstillstand auszuhandeln. Zuletzt am aktivsten, Israels Premier Naftali Bennet. Nach einem Überraschungsbesuch in Moskau hat sich Bennett am Samstagabend in Berlin mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz beraten. Im Mittelpunkt standen die Ergebnisse von Bennetts Unterredung mit Putin.
Konkrete Ergebnisse aber gibt es bislang nicht. Man beschränkte sich auf Stehsätze wie, dass man weiter mit „aller Kraft daran arbeiten“ werde, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden.
Aus Regierungskreisen in Jerusalem hieß es, das Gespräch zwischen Putin und Bennet in der russischen Hauptstadt habe drei Stunden gedauert. Bennett habe sich mit den USA, Deutschland und Frankreich abgestimmt und sei „in ständiger Kommunikation mit der Ukraine“.
Israel hat gute Beziehungen zu beiden Ländern und natürlich auch zu Präsident Selenskyj, der ja Jude ist. Man befindet sich daher in einem Zwiespalt. Es will seinen wichtigsten Bündnispartner, die USA, nicht verärgern, ist aber aus strategischen Gründen vom Wohlwollen Moskaus abhängig, etwa in den Konflikten mit Syrien.
Nach Angaben aus Jerusalem telefonierte Bennett nach dem Treffen mit Putin auch mit dem ukrainischen Präsidenten.
Ruf nach Waffenruhe
Ebenfalls fast zwei Stunden dauerte das Telefonat von Frankreichs Präsident Macron mit Putin. Macron gilt seit Beginn des Krieges als die wichtigste europäische Verbindung nach Moskau. Auch der türkische Präsident Erdogan hat sich am Wochenende aktiv in die Vermittlungen eingeschaltet und Putin am Telefon aufgefordert, eine Waffenruhe auszurufen.
"Wie in Tschetschenien"
Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Schon der Versuch, einen sogenannten „humanitären Korridor“ zu schaffen, um möglichst viele Zivilisten aus der umkämpften Hafenstadt Mariupol zu bringen, ist am Sonntag zum zweiten Mal gescheitert. Die Waffenruhe wurde wiederholt gebrochen.
Eine düstere Vorahnung darauf, wie der Krieg in den kommenden Tagen weitergehen könnte, liefert der britische Geheimdienst. Russland greife immer gezielter bewohnte Gebiete in der Ukraine an, um die Moral der Menschen zu brechen. Die Armee gehe ähnlich vor wie in Tschetschenien. Selenskyj selbst berichtete in Sozialen Medien über die völlige Zerstörung eines zivilen Flughafens in der Westukraine.
Keinerlei Kompromissbereitschaft zeigte am Sonntag auch Wladimir Putin: Der Krieg werde erst beendet, wenn die Ukraine den Kampf einstelle und die Forderungen Russlands erfüllt würden.
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