"Österreich hat sich als Brückenbauer zwischen EU und Russland überschätzt"

Der Russland-Experte zeigt sich pessimistisch und sieht kaum Wege, wie der russische Präsident zu stoppen sein könnte.

Es ist die Frage, die dieser Tage die ganze Welt beschäftigt: "Wie weit ist Wladimir Putin bereit zu gehen?" Das versuchten in den vergangenen Tagen etliche Präsidenten und andere hochrangige Politiker in Telefonaten mit dem russischen Machthaber herauszufinden. Können zumindest diese diplomatischen Bemühungen etwas bewirken?

"Nein, ich habe keine Hoffnung, dass das möglich sein wird", zeigt sich Politikwissenschafter Gerhard Mangott in der ORF-Sendung ZIB 2 pessimistisch. Putin habe zwar wieder gesagt, er sei bereit, seine Kriegsziele in der Ukraine entweder auf dem Verhandlungsweg oder militärisch zu erreichen. "Doch, was er Verhandlungsweg nennt, das ist nichts anderes als dass Russland der Ukraine Bedingungen diktiert. Nämlich diejenigen, die zu politischen und militärischen Kapitulation Kiews führen. Das andere sind dann die militärischen Mittel. Hier bin ich fest davon überzeugt, dass die russische Seite alle verfügbaren militärischen Mittel einsetzen wird, um die Ukraine ihrer Souveränität zu berauben". 

Bei den Gesprächen mit anderen Staatsmännern würde Putin nicht nur die Wege, wie man den Krieg in der Ukraine beenden könnte, besprechen wollen, sondern viel mehr wirtschaftliche Fragen, sprich Sanktionen.

Apropos Sanktionen, könnte ein Stopp der Öl- und Gaslieferungen aus Russland in die EU Putin zum Einlenken bringen? "Ein Handelsembargo zumindest im Energiebereich wäre sicherlich ein weiterer schwerer Schlag für die russische Wirtschaft. Aber auch da glaube ich nicht, dass sich Putin davon beirren lässt. Er will diese Ziele in der Ukraine erreichen. Es ist eine Art pathologischer Obsessionen, die er hat: die Ukraine wieder in den russischen Orbit zu holen", sagt der Professor für internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck. "Er wird sich von keinen Sanktionen davon abbringen lassen." 

Politikwissenschafter Mangott im Interview

"Wäre schön, wenn Österreich bei jeder Völkerrechtsverletzung so klar Position beziehen würde"

Doch wie lange kein Putin sein Vorgehen im Land rechtfertigen? Die Menschen, die am Sonntag auf die Straße gegangen sind, um gegen die Invasion zu protestieren, seien sehr mutig, sagt Mangott. Es sei eine geringe Zahl von Menschen, die großes Risiko eingeht. Denn die Polizei zeige deutlich, dass sie mit aller Härte gegen die Demonstranten vorgehen wird. Das werde auch bei größeren Demos der Fall sein. Auch der russischen Elite gibt der Experte keine Chance, Putin aus dem Sattel zu werfen. "Es ist klar, was er ihnen sagen wird: Entweder ihr hört auf mit euren Aussagen über diesen Krieg oder ihr verliert nicht nur euer Vermögen im Westen, sondern auch jenes in Russland." 

Zur Kritik Russlands an österreichischer Regierung sagt Mangott: "Es ist schon ein starkes Stück vonseiten der russischen Regierung, dass sie glaubt, Österreich einschüchtern zu können." Österreich sei seiner Meinung nach zwar militärisch neutral, aber nicht politisch. "Außenminister Schallenberg sagt, wenn Völkerrecht verletzt wird, dann sind wir nicht neutral. Das ist gut, aber es wäre schön, wenn Österreich bei jeder Völkerrechtsverletzung so klar Position beziehen würde". 

Der Russland-Experte sehe einen "zweifellos" einen Wendepunkt in der Position Österreichs Russland-Politik. "Die harte Positionierung der österreischischen Regierung, die ich für richtig halte, ist relativ neu. Man denkt an 2014 zurück als Putin die Krim besetzt und annektiert hat. Da ist Putin im Juni des Jahres in Wien empfangen worden und es gab viel Gelächter und Schulterklopfen". Früher habe man eine sehr Russland-freundliche Position bezogen und "sich selbst überschätzt als Brückenbauer zwischen der EU und Russland". Österreich hätte aus der Europäischen Union diesbezüglich "leider niemand gewarnt". 

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