Trump ist wieder da: "Werde jedem einen dicken, fetten Kuss geben"
US-Wahlkampf: Trump in Küsserlaune und mit Fake News
Für Ärzte klang es wie die mündliche Androhung von fahrlässiger Körperverletzung. Für seine Anhänger war es ein Grund zur Liebesbezeugung. Nur eine Woche nach der Entlassung aus dem Walter Reed-Militärkrankenhaus wegen seiner Corona-Erkrankung ist US-Präsident Donald Trump im Stile eines von Duracell-Batterien betriebenen Hasen in den Wahlkampf zurückgekehrt.
„Ich fühle mich so kraftvoll. Ich werde ins Publikum marschieren und jeden küssen. Ich werde die Kerle küssen und die schönen Frauen - jeden. Ich werde einfach jedem einen dicken, fetten Kuss geben”, rief Trump mit etwas angeknackster Stimme vor seinem Podium am Flughafen Orlando Sanford im Bundesstaat Florida aus.
Von Ansteckungs-Risiken, von Vorsichtsmaßnahmen kein Wort.„Ich glaube ich bin immun”, sagte Trump. Antwort aus dem Publikum am Montagabend: „Wir lieben Dich!” Antwort Trump: “Danke. Ihr werdet mich noch mehr lieben.”
Kurz zuvor hatte sein Leibarzt Sean Conley erklärt, der Präsident sei erneut bei einem Schnell-Test der Firma Abbott, der unter Seuchenschutzexperten als weniger zuverlässig gilt als die mehr Zeit beanspruchenden PCR-Tests, eindeutig Corona-negativ getestet worden und stelle damit keinerlei Gefahr mehr für sich und andere dar.
Wann Trump, der am 2. Oktober seine Corona-Infektion öffentlich gemacht hatte, mit dem Virus in Berührung kam, verheimlichte Conley weiterhin.
Nachdem Trump vor gerade einmal zehn Tagen mit starken Symptomen wie Fieber, Husten und schlechten Blutsauerstoffwerten ins Hospital geflogen worden war und dem Vernehmen nach kurzzeitig sogar um sein Leben bangte, ging es am Montagabend um die möglichst kraftvolle Rückmeldung des 74-Jährigen.
Trump liegt knapp drei Wochen vor den Präsidentschaftswahlen in Umfragen landesweit zweistellig und in wahlentscheidenden Bundesstaaten im Schnitt mit rund fünf Prozentpunkten hinter seinem Herausforderer Joe Biden. In republikanischen Kreisen wächst die Sorge vor einer Niederlage, die auch die konservative Mehrheit im Senat gefährden könnte.Aufgepeitscht wie selten warnte Trump, der bis vor kurzem mit dem potenziell Euphorie und Hybris auslösenden Medikament Dexamethason behandelt wurde, in Florida vor Tausenden Anhängern vor einem Wahlsieg Bidens.
Der Demokrat und die ihn steuernde „radikale Linke” werde „den amerikanischen Traum durch einen sozialistischen Albtraum ersetzen”, rief Trump den nur teilweise mit Mundschutz ausgestatteten, dicht an dicht stehenden Anhängern bei schwül-warmen Temperaturen zu. Die USA würden unter den Demokraten zu einem „kommunistischen Kuba” oder „sozialistischen Venezuela” verkommen.
Gegen den Auftritt, bei dem fürs Publikum Fiebermessungen obligatorisch, das Tragen von Gesichtsmasken jedoch optional war, hatte es große Bedenken gegeben. Trump sei rücksichtslos, gefährde Menschenleben, sagten Mediziner im US-Fernsehen, weil Immunität und Ansteckungsfreiheit nicht erwiesen seien.
Möglicherweise kreiere der Präsident wie schon vor zwei Wochen im Weißen Haus wieder ein „Superspreader”-Event, nachdem zig Neu-Infektionen gemeldet werden müssen. Trump bestritt die Vorwürfe und nannte die Medien das „krankeste Zeug”, was es auf der Welt gebe.
Seine einstündige Rede, die aus bekanntem Eigenlob und weitgehend faktenfreier Verleumdung der Demokraten bestand, enthielt wenige Neuigkeiten mit Substanz. Bis auf ein Detail: Trump drohte indirekt damit, im Falle seiner Wiederwahl gegen Vorgänger Barack Obama wegen einer angeblichen Konspiration gegen seine Wahl 2016 strafrechtliche Schritte einzuleiten.Trump ist offenbar der Überzeugung, dass nur regelmäßige Präsenz in der Öffentlichkeit den Negativ-Trend in den Umfragen brechen kann. Heute (Dienstag) steht daher eine Visite in Pennsylvania an. Am Mittwoch und Donnerstag sollen Iowa und North Carolina folgen. In allen genannten Bundesstaaten kämpft Trump gegen schlechte Umfragenwerte.
Herausforderer Biden und prominente Demokraten im Senat nannten Trumps Rückkehr in die Öffentlichkeit unter Umgehung der meisten Schutzmaßnahmen „skrupellos” und angesichts steigender Infektionszahlen in über 20 Bundesstaaten das „falsche Signal”.
Unterdessen zeichnet sich zwischen Trump und dem regelmäßig mit ihm im Clinch liegenden Top-Immunologen Dr. Anthony Fauci eine Art Showdown ab. Fauci, Direktor des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID), fühlt sich von der Trump-Kampagne für Wahlkampfzwecke missbraucht, weil in einem Werbespot Aussagen des Wissenschaftlers aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. So ist der Eindruck entstanden, dass Fauci das Krisenmanagement Trumps in der Corona-Pandemie optimal findet. Wer Fauci kennt und seinen Aussagen aus den vergangenen Monaten reflektiert, weiß: Das Gegenteil ist der Fall. Fauci nannte das Vorgehen der Trump-Leute „unglücklich und wirklich enttäuschend”. Er fordert die Löschung der betreffenden Passage. Ein Antwort steht noch aus.
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