Unsensibler geht es nicht. Donald Trump hat unter dem Siegel exzellenter Hochleistungsmedizin 72 Stunden behütete Corona-Luft im Elite-Krankenhaus geschnuppert. Danach schwadroniert er von seinen Erfahrungen wie ein begeisterter Rentner nach dem ersten Abenteuer-Urlaub mit wilden Bären in Alaska.
„Habt keine Angst vor Corona”, sagte der Präsident an sein Volk gerichtet, bevor er am Montagabend inszeniert wie bei seinem eigenen Staatsbesuch im Hubschrauber vor dem Weißen Haus landete, „lasst nicht zu, dass das Virus euer Leben beherrscht.” Lebensfremder, gefühlskälter und deplatzierter hätten seine Sätze nicht ausfallen können.
210.000 Amerikaner wollten nicht zulassen, dass das Coronavirus ihr Leben beherrscht. Geschweige denn, dass es ihr Leben beendet.
7,4 Millionen Amerikaner (Tendenz steigend) hätten gerne darauf verzichtet, sich überhaupt mit einem Virus anzustecken, das erst durch Trumps fahrlässig schlechtes Management in der Frühphase der Pandemie rasende Verbreitung fand im Land der Freien und Mutigen. Das Mindeste, was ein unter dubiosen Umständen vorübergehend wiederhergestellter Präsident hätten bekunden müssen, sind Reue und Scham.
Reue und Scham darüber, versagt zu haben, nicht zum frühest möglichen Zeitpunkt alles, wirklich alles unternommen zu haben, um Schaden von seinem Volk abzuwenden.
Dazu aber fällt Trump kein einziges Wort ein. Stattdessen kommt dem Narzissten zum Fremdschämen über die Lippen, dass er sich nach der chemischen Rosskur im Walter Reed-Militärhospital besser fühle als mit 54. Niemand will das wissen.
Wissen will man, wie es sein kann, dass ein 74 Jahre alter, übergewichtiger Mann nach drei Tagen seinen persönlichen Sieg über Corona verkünden kann, wenn Zigtausende in gleicher Lage an den Tagen sieben bis zehn nach einer Infektion rapide abgebaut haben und an den Folgen des tückischen Erregers gestorben sind.
Lebenslanger Zocker
Weiß Trump nicht um das Risiko, das seine Ärzte doppelt in Watte packen, wenn sie sagen, er sei „noch nicht ganz über den Berg”? Oder ist es ihm, dem lebenslangen Zocker und Zyniker, gleichgültig?
Wer am Montag die perfide Show verfolgte, die Trump für seine von ihm selbst angeordnete Entlassung aus dem Krankenhaus inszenieren ließ, dem muss mit Blick auf die kommenden Wochen vor der Präsidentschaftswahl am 3. November angst und bange werden. Der Mann nahm, als er die Treppen zu seiner Residenz im Weißen Haus erklommen hatte, doch tatsächlich als erstes demonstrativ die Atemschutzmaske ab. Und das in einer Regierungszentrale, in der die Corona-Fälle mittlerweile im Stundentakt gemeldet werden. Ist das nur rücksichtlos? Oder schon strafbar?
Wie Anabolika
Trump ist, obwohl er noch bis Ende der Woche mit dem Anti-Corona-Medikament Remdesivir und anderen Mitteln behandelt wird, wild entschlossen, sich wieder in den Wahlkampf zu stürzen. Die TV-Debatte am 15. Oktober mit Joe Biden steht ebenso wieder auf dem Plan wie allfällige Kundgebungen mit seinen Anhängern, die für Trumps machtpolitisches Ego wie Anabolika wirken.
Dass da ein Mann Normalität suggeriert, der nach wie vor mit einem potenziell tödlichen Erreger infiziert ist und nachweisbar wenig unternommen hat, um anderen nicht zu schaden, darf nicht untergehen.
Donald Trump ist für Amerika im Herbst 2020 so lebensgefährlich wie noch nie. Donald Trump geht über Leichen.
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