Treu, treuer, Trumpianer: Wähler halten ihm eisern die Treue
Es war kurz vor der Präsidentschaftswahl, die ihrem "Helden" eine zweite Amtszeit bescheren sollte: Kathryn Harbus, 60-jährige Unternehmerin aus Philadelphia, dachte im Gespräch mit dem KURIER in der Warteschlange zu einer Kundgebung mit dem US-Präsidenten lange über eine Frage nach. Ob irgendetwas, eine Aktion, eine politische Entscheidung, eine Rede oder gar eine Niederlage gegen Joe Biden etwas an ihrer schier grenzenlosen Loyalität zu Donald Trump ändern könnte?
Nach einigen Minuten sagte die Mutter zwei erwachsener Kinder: "Nein. Trumps Taten haben mich zum absoluten Fan gemacht. Nichts kann das jemals zerstören."
Gar nichts? Nach dem am 6. Jänner definitiv besiegelten Sieg Bidens und der zeitgleich von Trump maßgeblich inspirierten Schande am Kapitol in Washington stellt sich die Frage, wo die heimatlos gewordenen 74 Millionen Wähler Trumps landen.
Unzerbrechliche Liebe
Chip Masterson, Armee-Veteran aus Oklahoma, war im Dezember bis tief in den Süden Georgias gereist, um Trumps ersten Auftritt nach der "gefälschten Wahl" mitzuerleben. Der 70-Jährige, ein Mann wie ein Baum, sagte dem KURIER: "Ich liebe diesen Mann. Er hat alles richtig gemacht. Und er wird auch weiter alles richtig machen, wenn man ihn nur lässt."
Auch Masterson beantwortete die seinerzeit noch hypothetische Frage, ob ein Skandal, der von Trump zu verantworten sei und womöglich an den Grundfesten des Gemeinwesens rüttelt, bei ihm einen Sinneswandel auslösen könnte, mit Absolutheit: "Das wird nie passieren. Dazu liebt Donald Trump Amerika zu sehr. Ich werde immer zu ihm stehen."
Masterson ist nicht allein. Bei Weitem nicht. Zwei Umfrage-Resultate – generiert, als die Trümmer im geschändeten Kongress noch in den Wandelgängen lagen – dokumentieren, wie fest die Bande sind, die Trump zu großen Teilen Amerikas knüpfen konnte. Und wie weit sich die Maßstäbe bei Unrechtsbewusstsein und Demokratie-Akzeptanz verschoben haben.
"Korrupte Eliten"
Demnach stellen sich rund 20 Prozent der Amerikaner hinter die Entweihung der Herzkammer der US-Demokratie durch wild gewordene Marodeure. 30 Prozent sagen gar, die Proteste seien notwendig gewesen, um den "korrupten Eliten" ein Zeichen zu geben: Bis hierhin – und nicht weiter. Nur die Hälfte sehen in der Gewaltexplosion einen versuchten Staatsstreich.
Eine andere Befragung ergab, dass 45 Prozent der republikanischen Wähler den Anschlag auf den Kongress grundsätzlich gutheißen; schließlich sei Trump die Wahl "gestohlen" worden. Wenn die Söhne des scheidenden Präsidenten, Eric und Donald Jr., behaupten, die Republikaner seien die Partei Donald Trumps – haben sie dann recht? Könnte Trump daraus so viel Honig saugen, um 2024 für die Republikaner ins Rennen um das Weiße Haus einzusteigen?
Verlust
Konzentriert man den Blick in Glaskugel auf die Funktionärsebene der Partei, lautet die Antwort wohl: Nein. Unter Trump hat die Grand Old Party das Weiße Haus und beide Kammern des Kongresses verloren. Der Aufstand im Kapitol hat die Dämme brechen lassen.
Mit Lisa Murkowski hat sich die erste Senatorin in den vorwiegend demokratischen Chor der Amtsentheber und Präsidenten-Absetzer nach dem 25. Verfassungszusatz eingereiht. "Ich will einfach, dass er raus ist", sagte die streitbare Parlamentarierin aus Alaska am Freitag.
Aber auch im Wahlvolk sind Absetzbewegungen nicht zu übersehen.
"Nicht zu entschuldigen"
Gwen und Theodor Muller eilten am 6. Jänner direkt von Trumps Kundgebung, die zu den Ausschreitungen führen sollte, zum Bahnhof. Das Frührentner-Paar aus Virginia wollte so rasch wie möglich heim. "Damit Sie uns nicht falsch verstehen", sagte Theodor Muller, "wir sind hundertprozentige Anhänger des Präsidenten. Amerika hat sich viel zu lange auf der Nase herumtanzen lassen. Und auch wir haben Zweifel, ob bei Joe Bidens Sieg alles ordnungsgemäß abgelaufen ist. Aber die Gerichte haben geprüft und anders entschieden. Darum ist der Aufruf des Präsidenten, den wir gerade gehört haben, den Kongress zu stören, einfach nicht zu entschuldigen."
"Marke" in Gefahr
Die Mullers sagten, Trump müsse sehr aufpassen, dass er nicht seine "Marke" beschädigt und die politischen Ambitionen seiner Kinder (Tochter Ivanka liebäugelt mit Senatoren-Posten in Florida, Don Jr. mit einer Kandidatur für ganz oben) gleich mit, "wenn er weiter unsinnig drauf pocht, er sei der wahre Wahlsieger". Theodor Muller geht davon aus, dass sich der "Glanz", der Trump vier Jahre umgeben habe, in Luft auslösen wird, wenn ihm die Bühne des Weißen Hauses fehlt.
Was aber keinesfalls mit sinkender Sympathie verwechselt werden dürfe. Der ehemalige Lehrer zählt zu den 60 % Republikanern, die in regelmäßigen Umfragen von Wall Street Journal und dem Sender NBC dezidiert Trump unterstützen und erst in zweiter Linie die Republikaner. Aus diesem Millionen-Pool könne sich Trump, wenn er denn wolle, "leicht eine stabile Basis für die nächste Wahl zimmern. Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass er wiederkommt."
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