Wann immer in den vergangenen Jahren eine neue Lieferung an Raketen, Panzerabwehrrohren oder Sturmgewehren die Kämpfer der schiitischen Terrororganisation Hisbollah erreichte, konnte man davon ausgehen, dass Sayyed Razi Mousavi zumindest seine Hände im Spiel hatte.
➤ Bedrohung aus dem Norden: Hisbollah, der Erzfeind Israels
Der Generalmajor der iranischen Revolutionsgarden (IRGC) dürfte seit den Neunzigerjahren enge Kontakte zwischen Syrien und dem Iran geknüpft haben – und mit dem steigenden iranischen Einfluss in Syrien weitere Waffenlieferungen an die libanesische Hisbollah koordiniert haben. Am Montag wurde der einflussreiche General südlich der syrischen Hauptstadt Damaskus getötet – mit hoher Wahrscheinlichkeit durch israelische Raketen.
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Seit Jahren greift Israel immer wieder Konvois, die Waffen in den Libanon schmuggeln, an. Doch diese Tötung – wenige Tage vor dem Jahrestag der Tötung Qassem Soleimanis – birgt erhebliches Eskalationspotenzial für den Nahostkonflikt: „Israel muss sich auf einen zweiten 7. Oktober gefasst machen“, drohte ein Sprecher der iranischen Regierung, eine direkte Vergeltung werde folgen.
358-Raketen als Bedrohung
Irans staatliche Medien bezeichneten Mousavi als „einen der ältesten Berater des IRGC in Syrien“. Er stand Soleimani nahe, der die Quds-Truppe der IRGC leitet, die Teherans extraterritoriale Operationen im gesamten Nahen Osten plant und zahlreiche Stellvertreter-Milizen bewaffnet und finanziert. Dass die Hisbollah maßgeblich vom Iran mit Waffen versorgt und finanziert wird, ist kein Geheimnis. In den vergangenen Monaten hatte jedoch auch die Qualität der Waffen zugenommen – so schossen schiitische Kämpfer Ende Oktober eine israelische Drohne mit einer „358-Rakete“ ab – eine fortschrittliche Flugabwehrrakete mit einem elektro-optischen Sprengkopf, die sich vor allem zur Bekämpfung von Hubschraubern und Drohnen eignet.
Auch die mit dem Iran verbündeten Houthis hatten vor wenigen Wochen eine US-Reaper-Drohne abgeschossen. Zudem verdichteten sich die Berichte, wonach die Hisbollah bald weitreichendere Flugabwehr vom Iran geliefert bekommen sollte. Bereits vor dem Attentat auf Mousavi warnten Beobachter vor einer Verschärfung der Lage im Norden Israels: „Der Norden ist nur eine Sekunde von einer Explosion und dem Beginn eines ausgewachsenen Krieges entfernt“, sagte eine Quelle aus dem israelischen Sicherheitssektor der israelischen Zeitung Haaretz.
Mehr als 2.500 Raketen abgefeuert
Grundsätzlich hat sich Israel vor dem 7. Oktober mit Angriffen auf die Hisbollah zurückgehalten, die Situation meist beobachtet und auf vereinzelte Angriffe reagiert. Seit dem Massaker durch die Hamas nehmen die Spannungen an der Grenze immer stärker zu – mehr als 2.500 Raketen soll die Hisbollah seither auf Israel gefeuert haben. Eine Reaktion Teherans auf die Tötung Mousavis könnte sein, die Hisbollah zu stärkeren Angriffen zu drängen, die in einen offenen Krieg münden könnten.
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Eine andere Möglichkeit wäre die Ermordung hochrangiger Israelis im Ausland oder noch stärkerer Druck auf die US-Basen in Syrien und im Irak. Seit dem Beginn des Krieges zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas haben die Angriffe auf von der US-Armee genutzte Stützpunkte im Irak und in Syrien stark zugenommen. Das US-Militär hat seit Mitte Oktober mehr als 100 solcher Angriffe registriert.
Zu den Attacken im Irak bekannte sich meist der „Islamische Widerstand“, ein loser Zusammenschluss bewaffneter Gruppen in Verbindung mit dem pro-iranischen Hashed-al-Shaabi-Netzwerk. US-Sender wie Fox News sowie republikanische Abgeordnete fordern schon seit Wochen eine härtere US-Vorgangsweise gegen die Milizen – die US-Regierung setzt auf Vergeltungsschläge, doch versucht, die Situation nicht eskalieren zu lassen.
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