Mit verknotetem Rohr steht der israelische Panzer in einem Trümmerhaufen. Helme mit Einschusslöchern, ein zerborstener Davidstern – Kriegsbeute der schiitischen Hisbollah. „Sie haben angegriffen und sind im Abgrund gelandet“, sagt ein junger Mann, der durch das Hisbollah-Museum im libanesischen Mleeta führt.
Wo heute Propagandafilme jungen Menschen die „Notwendigkeit des Nationalen Widerstands gegen Israel“ näherbringen sollen, kämpften noch vor 25 Jahren Hisbollah-Krieger gegen die israelische Armee (IDF), die bis zum Jahr 2000 den Südlibanon besetzt hielt. Damals hat sich die „Partei Gottes“ 1982 mit iranischer Hilfe gebildet, ihr damaliges Ziel: Israel aus dem Libanon zu vertreiben. Ihr jetziges Ziel: Israel zu vernichten.
Bisher beschränkte sich die Hisbollah auf Provokationen. Immer wieder kam es zu Raketenangriffen, am Sonntag vernichteten sie eine israelische Radarstation. Am Mittwochabend wurde der Norden Israels kurzzeitig in den Alarmzustand versetzt. In weiten Teilen nahe der Demarkationslinie zum Libanon heulten die Sirenen. Später stellte sich heraus, dass es nicht der befürchtete Großangriff der schiitischen Miliz war.
Ein totaler Angriff der Hisbollah würde den Krieg in Israel auf eine völlig neue Stufe stellen, denn damit wäre klar, dass der Iran – Financier und Macht hinter der Organisation – seinen Befehl dazu gegeben hat. Und die Hisbollah ist spätestens seit ihrem Einsatz im Syrienkrieg kampferprobt. Vor allem aber müsste der Libanon, der seit Jahren in einem schier ausweglosen Strudel aus Krisen versinkt, mit einem massiven Bombardement rechnen, dessen Folgen vermutlich der Todesstoß für das Land wären.
„Israel ist eine verdorbene Bakterie (...) und hat keine andere Wahl als den Tod“, sagte Hassan Nasrallah, Generalsekretär der Hisbollah. Eine Ansicht, die vor allem im schiitisch geprägten Süden des Libanon, aber auch unter einigen libanesischen Christen und Sunniten vertreten ist. An Mauern prangen Graffitis von israelische Soldaten mit Hakennasen, die aus dem Land getreten werden. Selbst in christlich geprägten Buchhandlungen sind „Die Protokolle der Weisen von Zion“ oder die arabische Ausgabe von „Mein Kampf“ zu finden. „Politisch kann ich von der Hisbollah halten, was ich will. Unbestritten ist, dass sich Israel dank ihrer Waffen nicht traut, den Libanon anzugreifen“, sagt ein libanesischer Christ zum KURIER.
Im Gegensatz zur libanesischen Armee verfügt die Hisbollah über ein beachtliches Raketenarsenal von bis zu 200.000 Stück, obwohl dies eine entsprechende UN-Resolution verbietet. Vor allem der Iran versorgt die Organisation sowohl finanziell als auch waffentechnisch.
Seit dem letzten Konflikt im Jahr 2006 ist es der Hisbollah möglich, Städte tief im Landesinneren Israels mit Raketen unter Beschuss zu nehmen. Dies führt auf israelischer Seite zu Besorgnis: „Die IDF arbeitet Tag und Nacht gegen diese Bedrohungen. Wir müssen Bereitschaft und Abschreckung sicherstellen“, sagte etwa Gadi Eisenkot, Ex-Generalstabschef der IDF bereits vor Jahren. Wie stark die Hisbollah vor allem im Süden des Landes ist, bezeugen die zahlreichen gelb-grünen Fahnen, die in jedem Dorf zu Hunderten wehen. „Der Süden ist gelb“, lautet ein gängiger Spruch im Land.
Breites Netz
An vielen Häusern hängen Fotos von sogenannten Märtyrern – Hisbollah-Kämpfern, die im Syrien-Konflikt ums Leben kamen. Tausende sind bis jetzt gestorben, doch dieses Opfer bringt der Organisation viele Vorteile: Ihr Einfluss in der Region ist massiv gewachsen, selbst im Irak und in Afghanistan bilden Hisbollah-Kämpfer schiitische Krieger aus. Neben der wachsenden iranischen Präsenz an der syrisch-israelischen Grenze ist die Hisbollah die größte Bedrohung Israels.
Durch die große libanesische Diaspora (acht bis 14 Millionen weltweit) verfügt die Hisbollah über ein breites Netz, das sie entweder für den Schmuggel oder aber zur Durchführung von Anschlägen gegen israelische Einrichtungen nutzte und nutzt. Die Organisation besteht nicht nur aus Milizen, sondern ist auch eine politische Partei, die in der libanesischen Regierung vertreten ist.
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