Mindestens 25 Tote, darunter zwei Kinder – wieder einmal schlugen russische Raketen in einem Bahnhof ein, in Tschaplyne nahe der Front im Donbass. Die Rakete habe einen Waffentransportzug getroffen, teilt das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Die Zivilisten habe man nicht ins Visier genommen, aber ein Waffentransportzug sei ein legitimes Ziel.
Beobachter sprechen mittlerweile von „Terror ohne Verhältnismäßigkeit“ – von den anfänglichen Ankündigungen aus Moskau, „militärische Infrastruktur gezielt anzugreifen“, ist nichts zu spüren. Die Liste der Bombardements ziviler Ziele ist lang: Das Theater in Mariupol, das als ziviler Bunker gekennzeichnet war. Raketen auf zwei Universitäten in Mykolajiw. Der Bahnhof von Kramatorsk, als 57 Menschen, die flüchten wollten, starben. Ein Marschflugkörper auf ein Zelt ziviler Unterstützer am Hauptplatz von Charkiw. Ein Kindergarten und ein Einkaufszentrum in Kiew.
Streubomben
Diese Angriffe erfolgten nicht durch das von vornherein ungenaue Feuer von Raketenwerfern, sondern waren präzise gelenkte Marschflugkörper, beziehungsweise das Resultat gezielter Luftangriffe. Angriffe mit Streubomben gab und gibt es zuhauf – laut Human Rights Watch auch mindestens einmal von ukrainischer Seite aus auf ein Dorf in der Nähe von Charkiw. „Das Problem ist, dass der Mensch glaubt, dass er durch präzise Waffensysteme den Krieg etwas sauberer gestalten kann. Durch all diese Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte, beispielsweise den punktgenauen Einsatz von Waffensystemen, koordiniert über Satellitenkommunikation, Drohnen, die ein Ziel bis zum Beschuss beobachten können“ sagt Oberst Markus Reisner zum KURIER.
„In der direkten Konfrontation kommt es dann aber anders. Am Beginn eines Krieges versucht man mit einem sogenannten Eröffnungsschlag eine Entscheidung herbeizuführen. Wenn dies nicht gelingt, dann entgleitet es meistens.“ Die Folge sei eine „zunehmende Eskalation, in welcher der Krieg schließlich seine grausame unbarmherzige Fratze zeigt“, so Reisner.
Acht Jahre Hass
In der Gewaltspirale, die ein Krieg mit sich bringt, sind die Konventionen bereits auf schockierende Art und Weise entglitten: Forderte ein ukrainischer Arzt im März noch, alle russischen Kriegsgefangenen zu kastrieren, sorgte Ende Juli ein Video für Entsetzen, als ein russischer Soldat einem ukrainischen Gefangenen die Genitalien mit einem Messer abschnitt. Es ist eine von vielen grausamen Praktiken, die seit 2014 im Donbass angewandt werden.
So beschreibt ein UN-Bericht im Jahr 2014 etwa die Vergewaltigung eines geistig behinderten Mannes durch acht bis zehn Angehörige des Asow-Bataillons. In puncto Hass und Entmenschlichung des Gegners eskaliert diese Gewaltspirale vor allem im Donbass seit acht Jahren.
Vergewaltigung als Waffe
In ihrem Angriffskrieg setzen die russischen Truppen auf ein brutales Mittel, das Zivilbevölkerung wie Soldaten foltern, demütigen und ängstigen soll: systematische Vergewaltigungen.
Söhne, die zusehen mussten, wie sich Soldaten an ihren Müttern vergehen, Mütter, die sich für ihre Töchter vergewaltigen lassen – die Berichte über Grausamkeiten und sexuelle Gewalt sind schockierend viele. „Sie haben die Leute zu Wilden gemacht“, beschrieb der russische Deserteur Pavel Filatiev das Verhalten seiner ehemaligen Vorgesetzten beim Angriff auf die Ukraine.
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