Zugedröhnt in den Heiligen Krieg

In der Wohnung der Terroristen wurden Spritzen gefunden
Nicht nur in Paris setzte der IS Kämpfer unter Drogen, meistens Amphetamine.

Wie Zombies seien sie durch die Halle geschwankt, hätten ohne Zeichen von Nervosität, Angst oder auch nur irgendeiner Gefühlsregung die Menschen niedergemäht. Was Augenzeugen über das Verhalten der Terroristen in der Pariser Konzerhalle Bataclan berichten, legt nahe, dass diese nicht nur vom religiösen Wahn angetrieben wurden. In der Wohnung, in der die Mörder die letzten Vorbereitungen für den Anschlag planten, fanden die Ermittler Unmengen von Tablettenröhrchen und Spritzen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass der IS seine Kämpfer unter Drogen setzt, um ihnen so jede Angst, auch die vor dem Tod, zu nehmen. Von kurdischen Kämpfern gefangen genommene IS-Terroristen hatten im Verhör ausgesagt, dass man ihnen "halluzinogene Tabletten" verabreicht habe, "solche, die dich in ein Gefecht gehen lassen, ohne dass du darüber nachdenkst, ob du überlebst oder stirbst." Auch ihre Gegner beschreiben die IS-Terroristen gegenüber westlichen Medien als "zappelig und erregt. Sie schlucken ständig Tabletten, was sie völlig verrückt macht." Immer wieder werden auch bei gefallenen IS-Kämpfern Spritzen und Tabletten gefunden.

Captagon im Privatjet

Die bevorzugte Droge der Terrormiliz erzeugt genau die beschriebenen Symptome: Captagon, ein Aufputschmittel aus der Gruppe der Amphetamine. Die billig und mit relativ simpler Chemie herstellbare Droge war in Europa in den Sechzigerjahren noch in Gebrauch, vor allem zur Behandlung hyperaktiver Kinder. Als man die große Suchtgefahr erkannte, verschwand das Medikament. Auch als Doping-Mittel, das in den Achtzigern noch viele Fußballer schluckten, ist es inzwischen verschwunden.

Nicht jedoch im Nahen Osten. Dort ist Captagon zwar inzwischen ebenfalls illegal, wird aber in Untergrund-Labors in Millionen-Stückzahlen hergestellt, Tendenz stark steigend. Seit etwa 2006, so die Einschätzung von Drogenexperten wird die Region von der Droge regelrecht überschwemmt. So werden in Saudi-Arabien regelmäßig große Mengen Captagon sichergestellt. Erst vor wenigen Wochen fand man das Aufputschmittel kistenweise im Privatjet eines saudischen Prinzen.

Die Hauptproduktion der Droge findet inzwischen in Syrien statt, auch in dem von der IS gehaltenen Territorium. Von dort aus wird es über den Libanon – dort beschlagnahmte man 2014 55 Millionen Tabletten – in den gesamten Nahen Osten geschleust.

So ist Captagon für den IS nicht nur eine Droge, um seine Kämpfer und Selbstmordattentäter widerstandslos in den Tod schicken zu können, sondern auch eine verlässliche Einnahmequelle. Da einzelne Tabletten auf den Schwarzmärkten der Region um etwa 20 Dollar pro Stück angeboten werden, ein Millionengeschäft.

"Göringschokolade"

Aufputschmittel für Terror und Krieg sind ein seit Jahrzehnten bewährtes Rezept. Im Zweiten Weltkrieg setzten fast alle Armeen Amphetamine für ihre Soldaten ein. Bei der deutschen Wehrmacht etwa hatten die Mittel Spitznamen wie "Panzer- oder Göringschokolade".

Die IS-Terroristen von Paris aber beschränken sich in ihrem Drogenkonsum keineswegs auf Aufputschmittel. Einige entspannten sich vor ihrer Bluttat auch bei Joints: Ibrahim Abdeslam etwa, der sich vor einem Cafe in die Luft sprengte. Seine Ex-Frau erzählte dem britischen Independent, habe eine "alarmierende Menge an Haschisch" zu sich genommen.

Alle Informationen und Hintergründe zum Terror in Paris finden Sie hier.

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