Vermutlich vergifteter Kreml-Kritiker soll nach Deutschland

Vermutlich vergifteter Kreml-Kritiker soll nach Deutschland
Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny könnte vergifteten Tee getrunken haben. Ein deutsches Ambulanzflugzeug sollte ihn zur Behandlung nach Berlin holen.

Ein Ambulanzflugzeug mit einem speziellen Rettungsteam nahm Donnerstag Nacht Kurs auf die russische Stadt Omsk. Dort liegt in einem Spital der  russische Kremlkritiker Alexej Nawalny im Koma, nachdem er möglicherweise vergiftet wurde. Er soll zur Behandlung nach Berlin gebracht werden. Das hatte zuvor auch Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel angeboten.

"Wir stehen im Kontakt mit den Behörden und hoffen, dass wir die Erlaubnis für Nawalnys Transport bekommen", hieß es aus dem Hilfsteam. Die Berliner Charité sei vorbereitet, woran es zunächst aber noch mangelte, war das grüne Licht der Ärzte im sibirischen Omsk.

Als rund 18 Stunden zuvor hatte Alexej Nawalny bereits das Bewusstsein verloren. Der russische Oppositionspolitiker war mit dem Flugzeug auf einer politischen Rundreise durch Russland unterwegs, als er plötzlich über Unwohlsein klagte.

Das Flugzeug musste in Omsk notlanden, Nawalny wurde ins örtliche Krankenhaus eingeliefert – wo er noch immer auf der Intensivstation liegt. Für seine Sprecherin Jarmysch ist klar: Er wurde vergiftet. Die mutmaßliche Tatwaffe: Tee. Nawalny hätte außer diesem Tee nichts zu sich genommen.

Aus dem Krankenhaus im sibirischen Omsk heißt es, die Ärzte kämpfen derzeit um sein Leben. Die behandelnden Mediziner auf der Intensivstation täten alles, "um sein Leben zu retten", sagte der stellvertretende Direktor der Klinik, Anatoli Kalinitschenko, am Donnerstag vor Journalisten.

Mittlerweile ist der Oppositionelle an ein Beatmungsgerät angeschlossen und steht unter Polizeischutz. Es ist nicht das erste Mal, dass sein Team einen Vergiftungsverdacht äußert. Er musste vor einem Jahr während einer seiner zahlreichen Haftstrafen in einem Krankenhaus angeblich wegen eines Allergieschocks behandelt werden. Nawalny betonte damals, dass er vergiftet worden sein könnte.

Vermutlich vergifteter Kreml-Kritiker soll nach Deutschland

In Russland waren und sind mutmaßliche Vergiftungen im politischen Milieu immer wieder ein Thema.

Sergei Skripal, ein ehemaliger Oberst des russischen Militärnachrichtendienstes GRU, enttarnte als Überläufer eigene Agenten gegenüber dem britischen Auslandsgeheimdienst MI6. Anfang März 2018 wurden er und seine Tochter in der englischen Stadt Salisbury mit Anzeichen einer Nowitschok-Vergiftung in eine Klinik eingeliefert.

Nowitschok ist ein geächteter Nervenkampfstoff. Das Attentat auf Skripal löste eine schwere diplomatische Krise zwischen Großbritannien und Russland aus. Skripals Verbleib ist bis heute unklar, seine Tochter überlebte.

Alexander Litwinenko hingegen starb nach einer Polonium-Vergiftung. Polonium ist ein stark radioaktives chemisches Element. Der Offizier des sowjetischen Geheimdienstes KGB und seines russischen Nachfolgers FSB war ebenfalls Informant des britischen MI6. Er profilierte sich zudem als Kritiker des russischen Präsidenten Putin.

Litwinenko war ein enger Mitarbeiter des im März 2013 im britischen Exil mutmaßlich erdrosselten russischen Oligarchen und Putin-Gegners Boris Beresowski. Wie ein Zeuge 2007 der britischen Zeitung „The Sunday Telegraph“ sagte, wurde Litwinenko das Polonium vermutlich über vergifteten Tee verabreicht.

Auch der Aktivist Pjotr Wersilow, Mitglied der russischen Polit-Punk-Gruppe Pussy Riot, verdächtigte den russischen Geheimdienst, ihn 2018 in Moskau vergiftet zu haben. Er wurde in Berlin behandelt.

Wer als Täter gegen Nawalny in Frage käme? Er hat viele Feinde im Machtapparat. Nawalny wirft der russischen Regierung und Oligarchen regelmäßig Korruption und Machtmissbrauch vor. Dazu veröffentlicht er detaillierte Recherchen in den sozialen Netzwerken, wo er ein Millionenpublikum hat. Zuletzt hatte ihm auch der autoritäre Staatschef von Weißrussland, Alexander Lukaschenko, vorgeworfen, hinter den Oppositionsprotesten in seinem Land zu stehen.

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